Wir waren für eine Woche bei Dirk Schröder in der Wildnisschule Chiemgau zum Camp „Wilde Familie“ eingeladen. Fast wären wir nicht hingefahren: Die Kleine krank, die Wetteraussichten bei Regen, nächtlichen 4 Grad, insgesamt trübe. Plötzlich schien mir der Aufwand, zwei Kleine Kinder plus Zeltequipment von Berlin nach Bad Aibling zu bringen schier unüberwindbar.
Gemacht haben wir es dann doch. Und es war die bisher beste Entscheidung dieses Jahres.
Dirk hat den perfekten Platz für seine Wildnisschule. Das Camp am Jenbach liegt an dem reißenen, aber nicht sehr tiefen Jenbach. Das bedeutet: Wasser, aber nicht zu viele Mücken! Auf der anderen Seite wird es begrenzt von einem herrlichen Bergwald. Für die Berliner: Wir reden hier nicht von Sand mit Fichtenmonokultur so wie rund um Berlin. Wir reden hier von WALD. Von moosbewachsenen Steinen, Unterholz so dicht, dass man ein Kleinkind darin verstecken kann, Blumen, Giersch, Bärlauch mehr als eine Horde hungriger Familien essen kann und soviele Stöcker, dass Holzsammeln ein Kinderspiel ist (und auch war).
Natürlich bietet Dirk seinen Besuchern die Klassiker: Glutbrennen, Feuermachen, Bogenschnitzen, Bogenschießen, Wildkräutersammeln. Das alleine ist schon großartig. Einige wurden im Kontakt mit den natürlichen Materialien direkt kreativ:
Aber da ist noch mehr. Ich kann es nur schwer in Worte fassen. Ich las seine Website und fand das alles spannend, aber a bisserl esoterisch. So ging es auch den Freunden, denen ich die Seite weiterleitete. Jetzt, da ich da war, ist mir klarer, warum das so ist: Weil man erleben muss, was er macht und Worte da schnell in Schubladen landen. Ich versuche es mal:
Dirk und sein großartiges Team von Wildnispädagogen katapultierten uns innerhalb von 48 Stunden von der Youtube-Kindheit ins Clanleben. Besonders die Kinder schienen mir willig, freudig und unglaublich schnell umzuschalten. Sie bildeten eine wilde Kindergruppe, schwiegen erstaunlich lange und diszipiliniert beim Morgen- und Abendkreis, pochten auf Einhaltung der Rede-Stab-Regeln, machten Feuer (ja, auch die Vierjährigen!), aßen hungrig ihr Mittag, schliefen -meist-fest.
Ich will kein Hehl daraus machen, dass es eine Herausforderung ist, bei Aprilwetter mit zwei so kleinen Kindern zu zelten. Wir hatten von fünf Tagen drei Regentage, was die Grundbedürfnislogistik der Kinder nicht unerheblich erschwerte, allein wegen der vielen Klamottenschichten. Es war grundsätzlich mental entspannend und körperlich anstrengend – was ja oft nah beieinander liegt. (Detail am Rande: Ich habe alles gegessen, was im Angebot war und innert der 5 Tage drei (!) Kilo abgenommen.)
Mein Tag war geprägt durch viel Herumlaufen, Herumtragen, Anziehen, Ausziehen, Abhalten, Trösten, Füttern und immer wieder Stillen meiner kleinen Durchfallpatientin. Gleichzeitig fing der „Clan“ uns auf: Wir durften unser Zelt beim großen Tipi aufstellen, wir bekamen homöopathische Kügelchen geschenkt, immer war jemand da, der mal kurz die Kleine hielt, wenn der Große mich gerade brauchte.
Mein Großer lernte Bogenschießen, Feuermachen, aber vor allem ging er völlig auf in dieser Runde von entspannten Erwachsenen, im natürlichen Rhythmus des Camps, den Trommeln, Liedern, Feuerstellen. Viele Dinge, die zu Hause schwierige Themen sind, lösten sich dort einfach auf. Besonders an den beiden Sonnentagen war es der Himmel auf bayerischer Erde. Wahnsinn. Ich bin so dankbar und froh, dass ich durch dieses Schlüsselloch schauen durfte, wie sich Leben anfühlen kann!
Wer keinen Platz im Artgerecht-Camp mehr erobern konnte, dem kann ich Dirks Sommercamp empfehlen. Es sind noch wenige Plätze frei und ich kann nur von ganzem Herzen sagen: Wer sich im Artgerecht-Camp wohlfühlt, der wird bei Dirk gut aufgehoben sein.
Ansonsten machen wir nächstes Jahr wieder Camps und mehr Camps und überhaupt – artgerecht rocks, es wächst, es ist unaufhaltsam, wer weiß, vielleicht schaffen wir es doch bald, auch artgerechtes Wohnen und Leben zu etablieren!