Erwartungen zurückgeschraubt

Heute kommt ein Bericht von Madeleine für unsere Serie der Windelfrei-Erfahrungen:

Wie bist Du zu Windelfrei gekommen?
Ich bin selbst Hebamme und eine meiner Kolleginnen im Geburtshaus hat mir davon erzählt. Ich war in der Schwangerschaft dann überzeugt davon, das zu machen und dass es auch einwandfrei funktionieren müsste. Jetzt habe ich meine Erwartungen ziemlich zurückgeschraubt und mache nachts windelfrei (da habe ich wirklich Glück, denn sie schläft zwar nicht durch, aber pinkeln tut sie erst morgens wieder, sodass sie nachts tatsächlich ohne Windeln schlafen kann) und tagsüber windelwenig: wenn ich sie zu Oma bringe oder wir unterwegs sind, trägt sie Stoffwindeln, aber wenn es warm ist, wir im Sommer viel draußen waren oder ich mit ihr alleine zuhause bin, dann bleibt sie einfach unten ohne und ich habe eine 50:50 Chance, Pipi und Kacka zu erwischen, weil sie (für mich) nicht eindeutig signalisiert. Ansonsten wische ich eben viel auf und hoffe, dass sie, sobald sie größer ist und sich mitteilen kann, dann sagt, wann sie muss und dadurch früher trocken wird als andere Wickelkinder.

Wie alt war dein Kind, als Du mit Windelfrei angefangen hast?
Mit zwei Wochen habe ich angefangen sie abzuhalten. Als sie drei Monate wurde, habe ich die Windeln ganz weggelassen, was nachts gut klappt, tagsüber eine 80%ige Erfolgsquote hatte (bis sie zu essen anfing) und dann mit ca. 6 Monaten angefangen sie tagsüber wieder mehr zu wickeln, weil unten ohne zu kalt war und sie anfing sich von ihren Tüchern wegzubewegen. Außerdem war sie wahrscheinlich verwirrt, dass sie manchmal in die Windel machen musste (wie bei Oma) oder wenn wir im Auto saßen, dass sie sich das Signalisieren vielleicht auch wieder abgewöhnt hat.

Wie viele Windeln hast Du vorher pro Tag verbraucht (Durchschnitt)?
Das weiß ich nicht mehr genau. Einige… 10-12? Zeitweise mussten wir die Stoffwindeln sogar trocknen ohne zu waschen, um hinterher zu kommen.

Wie viele Windeln verbrauchst Du derzeit und wie alt ist Dein Kind mittlerweile?
5-6 pro Tag, Sie ist jetzt über 7 Monate.

Nutzt Du auch andere Backups?
Ich hatte zu unserer Hochzeit vor kurzem ein Paket WWW gekauft und brauche das jetzt noch auf. Ich habe aber ein richtig schlechtes Gewissen dabei, als würde ich es mir einfach machen, auf Kosten meines Babys. Aber es ist einfach so einfach und vor allem bleiben die Klamotten trocken. Da ich die Schurwollüberhose über den Bindewindeln weglasse, weil das Paket dann so riesig ist, wird bei einem Pinkeln mittlerweile alles nass und man hat den halben Tag ein feuchtes Kind auf dem Arm, aber ich kann sie auch nicht alle halbe Stunde komplett umziehen, weil sie das ganz fürchterlich findet. Mein Mann findet die Pampers aber auch doof und meint, wir sollen bei den Stoffwindeln bleiben, deswegen werde ich jetzt Überhosen mit einer Nässesperrschicht besorgen und dafür die Bindewindeln weglassen, die man unserem kleinen Wickel-Flüchtling ohnehin kaum noch gescheit umbinden kann.

Hattet/habt ihr Probleme mit Wundsein?
Sie ist manchmal zeitweise etwas gerötet in der Pofalte, aber da das ihre einzige Reaktion auf alles Saure ist, was wir essen, ist das verzeihlich. Ich achte darauf, ihr eine nasse Windel sobald wie möglich zu wechseln und schmiere mit einer homöopathisch zubereiteten Salbe aus Muttermilchnosoden ein. Sie ist nie wirklich richtig wund geworden.

Welche Standardsituationen probierst Du aus?
Nach dem Aufwachen – morgens ja, sofort. Dann kommt auch immer etwas. Bevor sie angefangen hat mitzuessen, kam auch hier immer der einzige Stuhlgang am ganzen Tag. Mittlerweile macht sie manchmal bis zu 6 Mal am Tag groß.
Nach den Tagsüber-Schläfchen nicht immer, weil sie da selten macht. Erst wenn sie dann wieder eine Weile unterwegs war.
Beim Stillen – nein, bzw. selten. Nur wenn ich sie aufs Töpfchen setze und sie weint, ich aber weiß, dass sie muss, z.B. morgens.
Nach dem Stillen – ja, klappt auch meistens.
Nachmittags – wenn vorher meiner Erfahrung nach noch nicht genug Stuhlgang für einen Tag da war.

Wann klappt es am besten?
Morgens direkt nach dem Aufwachen. Das ist das eine Mal am Tag, das wirklich zuverlässig von Anfang an funktioniert.

Wie viele Minuten (circa) hast du Zeit, um dein Kind abzuhalten (wenn es z.B. gerade aufgewacht ist oder wenn es Zeichen gibt)?
Leider nur sehr kurz: wenn sie merkt, dass sie ausgezogen wird, hält sie ein, aber wenn ich es nicht sofort erkenne oder zu spät reagiere, dann pinkelt sie nach spätestens einer Minute los. Häufig merke ich es leider auch erst daran, dass sie schon drückt und setze sie dann schnell für den Rest aufs Töpfchen, aber manchmal ist sie dann so abgelenkt, dass sie dann nicht zuende macht und eine halbe Stunde später haben wir das gleiche Spiel wieder.

Was benutzt ihr als Töpfchen, wenn ihr eines benutzt?

Zuhause haben wir ein Asia-Töpfchen. Unterwegs, wenn es warm ist, die freie Natur, oder über dem großen Klo. Manchmal habe ich sie auch schon über einer schon nassen Windel abgehalten, wenn nix anderes zur Hand war.

Wie schätzt Du die Arbeitsbelastung ein?
Genauso viel Arbeit wie beim Wickeln – mindestens. Durch das häufigere An- und Ausziehen wahrscheinlich sogar mehr. Und auch die Stoffwindeln machen ja noch zusätzlich Arbeit, zumindest bei meiner Variante. (Man sollte sich auf gar keinen Fall zwischendurch mal WWW besorgen, die zeigen dann nur wie viel einfacher es sein kann. Und wenig hilfreiche Omas sagen das schon oft genug.)

Hat sich in deiner Kindes-Wahrnehmung etwas verändert, seit ihr Windelfrei macht und was?
Ich merke auf jeden Fall, jetzt wo ich sie tagsüber wieder öfter wickele, dass ich weniger darauf achte, ob sie überhaupt signalisiert. Also stärkt das Windelfrei auf jeden Fall die Wahrnehmung für mein Baby. Aber ich denke, auch mit unserer halben Variante verstehen wir uns ziemlich gut und sie kommt ja spätestens dann angekrabbelt, wenn die Windel nass ist und fordert eine neue ein. Das neueste Spiel ist jetzt auch einen See auf den Boden zu machen, nachdem ich sie gerade erfolglos auf dem Töpfchen hatte und dann kichernd davon zu krabbeln. Wahrscheinlich eine Erinnerung, dass ich mich mehr mit ihr beschäftigen soll.

Hast Du einen heißen Tipp für Windelfrei-Mütter in der gleichen Situation?
Kauft euch keine Wegwerfwindeln, so einfach es auch scheinen mag. Und lasst euch nicht reinreden: Wenn ich meiner Mutter nicht nachgegeben hätte und die Kleine bei ihr nur noch in Windeln hatte (und mir das für unterwegs nicht auch angewöhnt hätte), hätte sie sich das Signalisieren vielleicht nicht so verwirrt abgewöhnt, wer weiß?

Vielen Dank für Deinen Bericht über Euren Weg!

5 Gedanken zu „Erwartungen zurückgeschraubt

  1. liebe madeleine,
    klingt so als ob du eine Stoffwindelberatung bräuchtest. Es gibt heute so viel tolle systeme, wo du bestimmt ein besseres findest um mit deinen problemen klar zu kommen. Ein paar Inspirationen gibt es auf schickgewicklt.de oder windelmanufaktur.de.
    liebe grüße!

  2. Auch wenn das keine gute windelfrei Werbung ist, ich bin gerade so froh zu lesen, dass es eben nicht immer einwandfrei funktioniert. Das es mal daneben geht, gibt zwar jeder zu, aber wie schwierig es auch sein kann, wird oft verschwiegen.
    Ich habe bei meiner Kleinen mit 6 Wochen angefangen, es wurde immer etwas besser. Ich habe ihr Unterhöschen in Größe 92 angezogen und eine zerschnittene Mullwindel reingelegt. Die hat zumindest die meiste Feuchtigkeit abgefangen, wenn es daneben ging. Es war auch Sommer und schön warm, also immer mit Unterlage und unten ohne ging es einigermaßen. Ich dachte bald klappt es ohne Probleme. Das Gegenteil war der Fall. Mit drei Monaten hat sie sich angefangen zu drehen, sobald sie auf den Bauch lag, habe ich überhaupt nicht mehr mitbekommen wann sie macht. Keine Zeichen mehr, nichts. Mit fünf Monaten hat sie angefangen zu krabbeln. Ich weiß, dass sie kurz sitzenbleibt und inne hält, wenn sie pinkelt, aber das macht sie auch so oft, wenn sie überlegt etc. Also mitbekommen tue ich es eigentlich nur sicher, wenn ich sie im Tuch trage. Sie ist jetzt sieben Monate, trägt zu hause keine Windeln, manchmal klappt das ganz gut, manchmal nicht. Ich halte sie so „nach Gefühl“ ab. Manchmal wehrt sie sich dann dagegen, ich breche das Abhalten sofort ab und sie macht dann eine Minute danach (allerdings eher selten). Das heißt auch, akzeptieren, dass die Hose immer wieder nass ist und wechseln wechseln wechseln. Manchmal braucht sie fünf am Tag, manchmal trägt sie eine 2- 3 Tage. Unterwegs hat sie immer Windeln an. Ich benutze dann WWWs, weil ich immer welche geschenkt bekommen habe… Ich versuche mein schlechtes Gewissen zu besänftigen, da ich ja nur ganz wenige davon brauche – eben nur unterwegs.
    Groß macht sie einfach immer im Auto (also immer wenn sie die Gelegenheit dazu hat, das ist fast jeden Tag der Fall). Ehrlich gesagt, das macht mich schon etwas wahnsinnig, denn die Sauerei ist riesig und genau das wollte ich ihr ja ersparen… Ich weiß allerdings auch nicht, wie ich das ändern soll, ich gebe ihr immer Gelegenheit zu machen, bevor ich fahre und wenn wir wieder zu hause sind, trotzdem scheint sie die Zeit im Autositz als ideal auserkoren zu haben, um in Ruhe ihr Geschäft zu erledigen.
    Gut, da sie mit allen sehr schnell ist, hoffe ich, dass sie bald die Selbstständigkeit einwickelt, klar zu zeigen, dass sie muss. Denn ich hoffe, dass sie ihr Körpergefühl wenigstens nicht verloren hat.
    Aber:
    1. Windeln wechseln ist noch mehr Arbeit als Hosen wechseln, nur blöd wenn dann mehr nass wird, als soll, da helfen dann nur Backups, wie Mullwindel ins Höschen oder so

    2. Wund war meine auch noch nie wirklich, wenn die Haut etwas rötlich war, habe ich Muttermilch drauf gemacht und es war innerhalb von zwei Stunden weg, aber auch das ist eher die Ausnahme

    3. Ein Babypo ist auch einfach viel zu süß, als das man ihn die ganze Zeit in so eine fette Schicht Stoff wickeln sollte, ich habe mal gelesen: wenn es auch nur manchmal klappt, lohnt es sich doch eigentlich schon

    4. Natürlich spart man auch einiges an Geld, weil man deutlich weniger Windeln braucht (zugegeben, man sollte einen gewissen Vorrat an Hosen haben, damit das Kind immer was zum anziehen hat, wenn mal alles in der Wäsche ist) – ökologisch ist es auch besser, ein bisschen Babypipi kann man auch schnell auswaschen und die Hose trocknen lassen, waschen in der Maschine ist nicht immer nötig

    5. Damit habe ich zwar noch keine Erfahrung, da meine noch zu jung ist, aber ich gehe davon aus, das sauber werden wird auch etwas einfacher

  3. Man braucht zwar weniger Windeln bei Stoffwindeln aber es ist meiner Meinung nach schwer eine genaue Gegenüberstellung der Kosten zu reproduzieren…weil man alleine den Wasserverbrauch der z.B. auch für die Herstellungen von Windeln erforderlich ist, nicht gut zurück rechnen kann. Dennoch, ein Trend zur Stoffwindel ist richtig und gut. Dennoch für Reisen sind die Wegwerfwindeln eine gute Option und werden sicher nie ganz verdrängt werden, das ist der Bequemlichkeit des Menschen geschuldet.

  4. Ich bin ebenfalls beruhigt zu lesen, dass auch bei anderen mal was daneben geht.
    Ich halte meinen Sohn ab, seitdem er drei Wochen alt ist. Das hat eine ganze Zeit lang gut geklappt. Seitdem er sich auf den Bauch dreht, geht aber wieder häufiger etwas in die Windel, weil ich es nicht immer erkenne. Er meckert, dass er noch nicht vorwärts kommt und ich kann es manchmal nicht vom anzeigen unterscheiden. Auch macht er amnchmal drei mal in einer viertel Stunde Pipi (mit 5 1/2 Monaten!) und dann denke ich mir „das kann doch jetzt nicht schon wieder sein“, oder ich bin nicht schnell genug und die Stoffi ist schon nass.
    Ich habe Angst, dass wir unsere Kommunikation verlieren, denn ich möchte ihn ja sehen, aber ich vertraue einfach darauf, dass es wieder besser wird.

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