Stillen, Tragen, Kinder ohne Windeln, Familienbett – attachment parenting oder – auf Deutsch – die Familie, die sich voll und ganz auf die Bedürfnisse ihres Nachwuchses einstellt, ist Thema dieses Blogs. So weit, so klar. Seit ein paar Tagen allerdings frage ich mich: Stellen wir, die Autorinnen hier und an anderen Stellen im Familienteil des Internets, nicht allzu häufig die Frau und das Kind allein in den Mittelpunkt und vergessen den Mann.
Nachdenklich gemacht hat mich ein Posting von Philippe Zweifel über „Die Schreckensherrschaft stillender Brüste“. Allerdings nicht so sehr des Postings wegen, sondern vor allem wegen der zum Teil wütenden Diskussion, die in den Kommentaren entbrannt ist. Deshalb an dieser Stelle eine weibliche Sicht auf die Sicht des Mannes. Ich kann mich nämlich gar nicht so aufregen, wie einige der Kommentatorinnen.
Betrachten wir folgende Situation: Frau in Elternzeit, Mann geht arbeiten, Familienkonzept attachment parenting. Setzen wir zudem voraus, dass der Vater sein Kind über alles liebt, dass er seine Frau in allen Belangen unterstützt (Langzeitstillen, windelfrei, tragen, Familienbett…), dass er seiner Frau den Rücken freihält, um die Erfüllung dieser Belange zu ermöglichen, setzen wir voraus, dass er das Familieneinkommen verdient, damit seine Attachment-parenting-Familie leben kann. Was wir sehen, ist ein Vater, wie wir, die Frauen mit den Windelfrei-Kindern, ihn uns wünschen, ein Vater unserer Zeit, der gerne Vater ist, wahrscheinlich sogar gerne noch mehr Vater wäre, der aber, weil er eben arbeiten geht und das Kind von seiner Frau gestillt wird, nicht so zum Zuge kommt, wie er es gerne hätte.
Unser Vater kommt abends nach einem Arbeitstag, der häufig genug länger als die tariflich vereinbarten acht Stunden dauert, nach Hause, die Hütte brennt, sprich ein, zwei oder mehr Kinder nörgeln, maulen oder weinen – weil abends alle durchhängen – der Vater übrigens auch. Die Mutter drückt ihm dankbar den Nachwuchs in die Hand mit den Worten: „Puh, ich brauch grad mal ’ne Pause!“ Auch das versteht unser liebender und mitfühlender Vater, und er verschafft seiner Frau eine Verschnaufpause. Er hat den schreienden Säugling auf dem Arm, aber Vaterfreuden können nur bedingt aufkommen, denn eigentlich will das Baby nur die Brust, die er nicht hat. Er versucht kleine Spielchen, trägt das Baby in der Manduca, aber das täuscht alles nicht darüber hinweg, dass hier eigentlich nur die Mutter helfen kann. Das Baby ist müde und kann nur an der Brust einschlafen (ist ja ein „attached child“), und die hat er nicht.
Gerade in einer Familie, in der feeding on demand praktiziert wird, hat es der Vater häufig schwer, Nähe zu seinem Kind aufzubauen. Das geht nur, wenn der Nachwuchs ausgeschlafen und gut drauf ist. Unser Vater aber hat Verständnis, nutzt die Intervalle, die sein Kind ihm gibt, nur wenn das Kind alle zehn bis 30 Minuten seinem natürlichen Saugbedürfnis nachgehen will, dann bleibt die enge Mutter-Kind-Bindung nicht aus. Ob der Mann will oder nicht, so bleibt er doch oft außen vor.
Ich glaube manchmal, wir wollen die Eier legende Wollmilchsau: Unser Partner soll uns den Rücken freihalten, uns unterstützen, das Einkommen hereinfahren, damit wir Frauen uns ganz den kindlichen Bedürfnisse des ersten Jahres widmen können. Außerdem soll er ein moderner Vater sein, der nicht nur seine Pflichten ernst nimmt, sondern auch noch liebevoll ist – und obendrein Feuerwehr spielt, wenn der Laden droht, in die Luft zu fliegen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass auch der Mann zunehmend in eine Doppelrolle aus Job und Familie gerät.
Die Frauen dagegen, ganz sicher die, die sich für attachment parenting entschieden haben, steigen dagegen aus dem Job aus und in die Familie ein. All ihre Kraft widmen sie dem Kokon Mutter-Kind. Klar ist das auch wahnsinnig oft wahnsinnig anstrengend, aber es ist eben auch ganz besonders erfüllend, unter anderem auch körperlich. Klar soll der Mann Verständnis haben für die hormonellen und emotionalen Veränderungen bei der Frau, aber haben wir Frauen auch ausreichend Verständnis für den (körperlichen) Frust des Mannes? Haben wir ausreichend Verständnis für die Traurigkeit eines liebenden und liebevollen Papas, der mit ansehen muss, wie sein Kind sich nur von der Mama trösten lässt, sich nur von der Mama ins Bett bringen lässt, weil es nur an der Brust einschläft – weil es dort einschlafen darf? Und schließlich, wünschen wir uns nicht Partner, die es schaffen, über ihre Gefühle zu sprechen, uns ihre Ängste, Sorgen und Wünsche zu vermitteln?
Für mich folgt daraus: Ich kann verstehen, wenn ein Vater wie Philippe Zweifel, der sich aufgrund der engen Mutter-Kind-Bindung 14 Monate lang als Ansprechpartner zweiter Klasse empfunden hat, nun das Abgestilltsein seines Kindes als Befreiungsschlag empfindet, hat er doch nun endlich die Chance, der Vater zu werden, der er immer schon sein wollte.