Artgerecht essen – so gehts!
„Satt heißt nicht, dass keine Schokolade mehr rein passt“
Immer fragen mich Eltern: Nicola, warum sagst du nie was zu Ernährung? Was wäre artgerechtes essen? Und wie sollen Eltern sich verhalten, wenn Kinder nur noch Nudeln essen oder es ständig zu Streit um Tischmanieren kommt?
Bisher habe ich mich in Bezug auf essen immer zurück gehalten (vegan? paleo? was ist richtig? wer entscheidet das?), doch für das artgerecht Kleinkinderbuch habe ich das Thema recherchiert. Und ich habe festgestellt: Ja, es gibt artgerechtes Essen! Und es ist ganz einfach!
Artgerecht essen – die einen sagen sofort: „Paleo – Ernährung“! Die anderen rufen „Veganismus“! Die dritten plädieren für gesunde Mischkost. Jeder denkt, er hätte die eine, richtige Ernährung gefunden. Und wisst ihr was? Das ist auch so! Er oder sie hat die richtige Ernährung für sich selbst gefunden – für den eigenen Körper, die eigenen Gewohnheiten, das eigene Leben. Aber eben nur das.
Die richtige Ernährung für alle gibt es nicht
Denn Fakt ist: Die eine, richtige Ernährung gibt es nicht. Kann es auch nicht geben. Denn der Homo Sapiens hat sich vor allem deshalb so prima auf diesem Planeten ausbreiten können, weil Babys auf den subtropischen Inseln der Seychellen als erstes Papaya kriegen – und gut vertragen – im kalten, nördlichen Alaska Jahrhunderte lang vor allem Fisch gegessen wurde – und das auch gut vertragen wird.
Hinzu kommt, dass jeder Mensch wahrscheinlich ganz anders auf Essen reagiert. Wem was bekommt, ist individuell verschieden – die einen werden wirklich wirklich dick von Fett, die anderen werden dick von Kohlenhydraten. So wie es von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist, wie Medikamente wirken oder eben nicht.
Für uns heute ist also die Frage weniger, was absolut gesehen „richtig“ ist, sondern was und wie wir essen wollen.
Und darauf gibt es eine klare Antwort aus artgerecht- Sicht:
Artgerecht zu essen heißt vor allem regional, saisonal, vielfältig, wild, gemeinsam – und entspannt!
Regional – Steak aus Andalusien, Amaranth aus Indien, Bananen aus Costa Rica – wir können fest davon ausgehen, dass das sehr neu in der Menschheitsgeschichte ist. Wir haben Jahrtausende das gegessen, was eben dort wuchs, wir wir lebten. Ganz einfach.
Saisonal – Erdbeeren im Winter? Wir essen längst nicht mehr das, was im Angebot ist, weil es gerade auf den Feldern oder im Wald wächst. Das wäre auch schwieriger, je nördlicher man kommt. Ob es aber wirklich Erdbeeren im Winter sein müssen, daran darf gezweifelt werden.
Vielfältig – unsere Vorfahren haben sich von hunderten von verschiedenen Nahrungsmitteln ernährt, die Kost der Menschen in der Frühsteinzeit und selbst noch von Jäger und Sammler-Völkern unserer Zeit war ausgesprochen vielfältig.
Eine Studie zur Ernährung der Aborigines in Grothe Eiland und der Doydji Region zeigt, dass die Gruppen zwischen 100 und über 300 verschiedene Nahrungsmittel kannten, darunter Landtiere, Reptilien, Vögel, Fische und zwischen 22 und 130 verschiedene Pflanzen (Atoll Anderson et al: Historie of old ages. Essays in honour of Rhys Jones. Australien National University, gefunden auf: http://www.culturalsurvival.org.au/…/In%20search%20of%20the…).
Wir hingegen beschränken uns trotz der Vielfalt unserer Supermärkte auf einen Bruchteil dieser Auswahl.
Wild – Domestiziertes Obst und Gemüse hat heute nicht mehr viel mit seinen wilden Vorfahren gemeinsam. Wildkräuter wie Brennnessel, Giersch oder Gänseblümchen enthalten wichtige Nährstoffe. Es lohnt sich also, sie in den Essenplan zu integrieren. Im artgerecht Kleinkindbuch erzähle ich, was sie können und wann und wie man sie ernten sollte.
Gemeinsam – Menschen haben immer gemeinsam gegessen, in vielen Kulturen ist es ein festes Ritual.
Entspannt – entspannt am Familientisch, dass sollte oberste Priorität haben. Studien zeigen, dass entspannte Eltern Kinder mit weniger Essproblemen und -Störungen haben. Maßnahmen wie Sitzenbleiben, Tellerleeressen, Süßigkeitenverbote sind nachweislich schädlich (alles frei zu geben aber leider auch).
Was das konkret heißt? Hier soviel:
Eltern bleiben idealerweise vor allem entspannt, sie vertrauen ihren Kindern, was die gerne essen mögen und bieten eine gesunde Auswahl an Nahrung, aus der sich die Kinder aussuchen können, was sie wollen. Eltern bleiben cool, auch wenn das Kind ein paar Wochen lang nur Nudeln isst, das geht nämlich vorbei. Eltern sind Vorbilder beim Essen, besonders bei Tischmanieren – dann lernen die Kinder sie in der Regel von ganz alleine. Eltern wissen, dass „satt“ nicht heißt, dass keine Schokolade mehr reinpasst 🙂. Eltern übernehmen Verantwortung und stellen sich auch den Konflikten, die Essen mit sich bringen kann – nein, nach sechs Wochen mag ich keine Nudeln mehr kochen, probiere bitte mal den Reis.
Wie man es im Alltag im Detail macht, erzähle ich im neuen artgerecht Kleinkinderbuch, das im Mai 2018 erscheint (Vorbestellungen hier). Und ich bin mir klar darüber, dass es ein großes kontroverses Thema ist. Daher freue ich mich (auch für das neue Buch über Geschwister!) über euren Input – welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Was hilft euch, entspannt zu sein? Wie ist es mit dem Essen bei Geschwistern – lernen sie voneinander? Streiken sie gemeinsam? Essen sie gemeinsam Nudeln?
Bis dahin – Bon Appetit!
🙂
Eure Nicola