Schlagwort-Archive: wissenschaft

"Babys ohne Windeln"

Habt Ihr SIE schon entdeckt? Die neue Internetseite von Julia und Nicola ist online:

Babys ohne Windeln

Es wird wirklich Zeit mit Ammenmärchen aufzuräumen und Windelfrei in unserer Gesellschaft wieder zu etwas Selbstverständlichen zu machen.

In einer aktuellen Literaturübersichtsarbeit hinsichtlich Töpfchentraining bemerkten niederländische Wissenschaftler folgendes:

Es gibt eine wachsende Zahl von Studien, die beweisen, dass das Hinausschieben des Toilettentrainings ökonomische, ökologische, soziale und gesundheitliche Probleme verursacht. Im Gegensatz dazu fanden Studien, die früheres Toilettentraining untersucht haben, keine negativen Auswirkungen.

[Readiness signs used to define the proper moment to start toilet training: a review of the literature. Kaerts N, Van Hal G, Vermandel A, Wyndaele JJ. Neurourol Urodyn. 2012 Apr;31(4):437-40.]

Also was gibt es zu verlieren? Spread the word!

Lies auch hier: Die Windelfrei-Zukunft – ein Blick in die (Google-)Glaskugel


Windelfrei – historisch gesehen

Windelfrei ist ein schon sehr lange bekanntes Prinzip – in historischen Handbüchern findet man Informationen dazu. Es ist nicht immer das Windelfrei, wie wir es kennen und betreiben, da wir keinerlei Druck auf die Kinder ausüben und auf ihre Zeichen reagieren, dem Kind also keinen Zeitplan aufdrängen. Aber auch das wird teilweise schon erwähnt. Karin Bergstermann durfte ich auf dem letzten Kongress der AFS kennenlernen. Sie sammelt alte Erziehungsbücher und hat für mich mal nach Windelfrei geforscht. Ihre Fundstellen sind großartig. Aber die Frage bleibt – ist es windelfrei? Oder eher etwas anderes? Was meint ihr?

Fundstelle 1 ist von 1883 und ich würde sagen, das ist fast windelfrei, allerdings leider mit festen Zeitabstand, also nicht in erster Linie auf die Signale des Kindes hin:

Über Kinder, die ein Vierteljahr alt sind:
„Um das Kind an Reinlichkeit zu gewöhnen, hält man es vor dem
Einschlafen und nach dem Aufwachen über ein Geschirr, wobei man
unwillkürlich leichten Druck auf den Unterleib ausübt. Das sog.
„Abhalten“ hat im wachen Zustande alle 1/2 Stunden stattzufinden, wobei
das Kind sehr bald merkt, was es soll.“

Aus: „Das Buch von der gesunden und kranken Frau in den ersten Stadien
des ehelichen Lebens nebst Anleitung zur Pflege des Neugeborenen und des
Säuglings und zur Erziehung des Kindes bis zum Ende seines ersten
Lebensjahres und einem Anhange über Säuglingskrankheiten“, Sanitätsrath
Dr. med. Ernst Kormann, Spezialarzt für Geburtshilfe, Frauen- und
Kinderkrankheiten zu Coburg, Mitglied der Gesellschaft für Heilkunde zu
Berlin, zweite Auflage, Erlangen, Verlag von Eduard Besold, 1883, Seite
193

Fundstelle 2 von 1875 klingt schon wieder mehr nach windelfrei:

„Es ist aber auch nöthig, daß das Kind so früh als irgend möglich an
Reinlichkeit gewöhnt werde. Schon nach den ersten drei Monaten seines
Lebens muß man diese Art der Erziehung beginnen, die damit ihren Anfang
nimmt, daß man vor jedesmaligem Niederlegen zum Schlafe und nach jedem
Erwachen und in der Zeit des Wachens alle halbe Stunde das Kind
„abhält“
(ein von Müttern wohlverstandener Ausdruck) und es, ohne zu
erkälten, durch die geeigneten üblichen Ermunterungen, niemals durch
Berührung der Geschlechstheile, so lange hält und auf den Zweck
aufmerksam zu machen sucht, bis seine gewünschte und zeitgemäße
Entleerung erfolgt ist. Uebt man dies consequent, so wird es nicht
schwer, Kinder im Alter von 4-5 Monaten zu gewöhnen, nicht nur bei
dieser Gelegenheit ihre Bedürfnisse ins Geschirr zu entleeren, sondern
auch durch Geberden und anderweitige Kennzeichen zu verstehen zu geben,
daß sie in die Situation gebracht werden wollen, wo sie sich entleeren
können
, und es gewöhnen sich auch Blase und Mastdarm an diese
Regelmäßigkeit sehr leicht. Das Kind hat aber den Vortheil davon, daß es
angenehmer und ruhiger in seiner Wäsche liegt, nicht wund wird und alle
wohltätigen Einflüsse der Reinlichkeit auf seine Gesundheit genießt.“

Aus: „Die Mutter als Erzieherin ihrer Töchter und Söhne zur physischen
und sittlichen Gesundheit vom ersten Kindesalter bis zur Reife“, Dr.
med. Hermann Klencke, zweite, neu durchgearbeitete Auflage, Verlag
Eduard Kummer, Leipzig, 1875, Seite 141 f.

Fundstelle 3 ist von 1914 und klingt nach dem, was wir auch wissen/machen:

„Es ist vielmehr alles Augenmerk darauf zu lenken, zur Stelle zu sein, bevor das Kind sich schmutzig macht. Bei einiger Aufmerksamkeit wird man
an der Unruhe des Kindes lernen, selbst nachts, rechtzeitig zur Stelle
zu sein.
Eine sorgsame Mutter kann schon das Kind im 3. Monat völlig
„stubenrein“ erhalten.“

Der volle Zusammenhang ist dieser:
„In neuerer Zeit sind auch auf dem Gebiete der Säuglingskleidung
allerlei Experimente gemacht worden. Besonders verwerflich sind jene
Moden, die den Säugling wie in einen Sack hineinstecken. Denkt immer
daran, daß die freie Beweglichkeit der Glieder, die gute Blutzirkulation
nirgends gestört werden darf.
Ja, ein findiger Kopf ist selbst auf den Gedanken gekommen, statt der
Windeln eine Art wie Torfstreu und ähnlicher aufsaugender Dinge zu
nehmen, damit das Kind nicht so oft trocken gelegt zu werden braucht.
Eine Brutalität ersten Ranges, denn das ist ja gerade die Hauptsache,
daß aller Schmutz schleunigst aus dem Kinderbette kommt.
Ein anderer hat elektrische Windeln vorgeschlagen, d.h. innerhalb der
Windeln liegen feine elektrische Drähte. Sind diese naß, dann erschallt
ein elektrisches Läutewerk. Nicht übel. Aber eine Mutter, eine Wärterin,
die erst auf das Läutewerk wartet, um das Kind trocken zu legen, kann
sich das Lehrgeld wiedergeben lassen. Es ist vielmehr alles Augenmerk
darauf zu lenken, zur Stelle zu sein, bevor das Kind sich schmutzig
macht. Bei einiger Aufmerksamkeit wird man an der Unruhe des Kindes
lernen, selbst nachts, rechtzeitig zur Stelle zu sein. Eine sorgsame
Mutter kann schon das Kind im 3. Monat völlig „stubenrein“ erhalten.“

Aus: A-B-C für junge Mütter – mit Anleitung zur Ernährung und Pflege des
Kindes bis zur Schulzeit, Nach Dr. Lahmann’s Grundsätzen, bearbeitet von
Dr. Ziegelroth, Besitzer und Leiter von Dr. Ziegelroth’s Sanatorium
Krummhübel im Riesengebirge (früher Zehlendorf), Verlag Max Richter,
Leipzig, 1914, Seite 66

Insgesamt war wahrscheinlich die Trennlinie von Abhalten-auf-Signal und Sauberkeits-Dressur fließend. Windelfrei ist definitiv KEINE Sauberkeitserziehung, ich kann das nicht oft genug sagen. Aber gleichzeitig haben wir uns das zugrundeliegende Prinzip auch nicht ausgedacht…

Windelfrei-Studie sucht Windelfrei-Mamas

Liebe Runde,

“Babys können ihre Ausscheidungen nicht kontrollieren” – so heißt es noch immer in vielen Lehrbüchern und Arztpraxen. Windelfrei-Eltern erleben ihre Kinder ganz anders, aber ohne wissenschaftliche Daten bleiben das immer Einzelfälle. Bisher gibt es keine wissenschaftlichen Studien zum Thema.

Deshalb planen Simone Rugolotto und Laurie Boucke eine neue internationale Studie über Familien, die Windelfrei/Ausscheidungskommunikation im ersten Lebensjahr ihres Kindes praktizieren. Mitmachen können alle, deren Baby jünger als 16 Wochen ist!

Dr. Simone Rugolotto ist Wissenschaftler in Italien und hat schon mehrere wissenschaftliche Arbeiten über Windelfrei veröffentlicht. Laurie Boucke lebt in den USA, sie ist die Autorin von “TopfFit”. Ich bin die deutsche Kontaktperson für alle Interessierten.

Die Studie läuft so ab: Kinderärzte oder Krankenschwestern bekommen einen Fragebogen, und werden die Eltern alle 1-2 Monate zu ihren Erfahrungen mit Windelfrei befragen, bis zum Alter von 12 Monaten. Die Interviews können per Telefon oder Skype durchgeführt werden oder auch direkt beim Kinderarzt selbst. Die Studie endet im Juni 2012. Die Daten werden anschließend analysiert und das Ergebnis in medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht.

Wenn euer Baby schon zu alt ist, um noch mitzumachen, ihr aber einen Arzt kennt, der an dieser Studie gerne teilnehmen würde, freuen wir uns über einen Kontakt. Auch wenn ihr noch andere Windelfrei-Familien kennt, die gerne mitmachen würden, lasst es uns wissen – je größer die Fallzahlen, desto besser die Studie.

Wenn ihr interessiert seid, antwortet gerne hier oder über Mail . Wir schicken euch dann ein Anschreiben für euren Kinderarzt sowie den Fragebogen bzw. leiten Kontakte an Laurie und Simone weiter.

Herzlicher Gruß in die Runde,
Nicola

Gorillamama macht’s vor

Wenn ihr mal ein wirklich tolles Video über Mutter-Kind-Kontakt sehen wollt, hier die Gorilla-Mama aus dem Londoner Zoo im Oktober mit ihrem Neugeborenen – Körperkontakt, Windelfrei, Stillen nach Bedarf, Spielen…
(Dank an Utta von der AFS!):

Im Off-Text erklärt Phil Ridges, Chef der Gorilla-Pfleger im Port Lympne Wild Animal Park, das sie derzeit das Problem haben, das Baby mit dem dominanten Männchen der Gruppe bekannt zu machen. Der Vater des kleinen ist dieses Jahr verstorben, so dass es keinen Beschützer gibt und dominante Männchen sind dafür bekannt, dass sie nicht-verwandte Nachkommen attackieren und auch töten (spannende Hintergrundgeschichten zur Frage, warum Männchen Babys töten und wie die – auch menschlichen – Weibchen darauf im Laufe der Evolution möglicherweise reagiert haben übrigens bei Sarah Bluffer Hrdy in Mutter Natur).