Auf Süddeutsche.de ist ein Artikel zum Thema sicherer Babyschlaf. Die SZ hat offenbar diese Pressemitteilung der Plattform „Kinder- und Jugendärzte im Netz“ ungeprüft übernommen. Heraus kommt ein Artikel voller Halbwissen, in dem man z.B. folgendes liest:
Säuglinge liegen am besten im eigenen Bett. Schlafen sie bei den Eltern, steige die Gefahr, dass sie am Plötzlichen Säuglingstod sterben, warnt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Köln. „Liegt das Kind bei den Eltern, bekommt es von deren Körpern Wärme ab, so dass der kleine Körper einer übermäßigen Wärmezufuhr ausgesetzt ist“, erklärt BVKJ-Vorstand Professor Hans-Jürgen Nentwich. Überhitzung gelte als ein möglicher Faktor für den Plötzlichen Kindstod.
Nicht erwähnt wird hier, dass diese Tipps stark verkürzt und daher m.E. mißverständlich sind. US-Amerikanische Forscher gehen davon aus, dass das Familienbett – von nicht rauchenden, nicht Drogen nehmenden, nicht übergewichtigen Eltern – der sicherste Ort für ein Baby ist. Ihr Forschungsergebnisse lassen sie davon ausgehen, dass der Körperkontakt die SIDS-Wahrscheinlichkeit verringert, was ihrer Meinung nach daran liegt, dass die Kinder nicht soviel Zeit in tiefen Schlafphasen verbringen.
Es geht bei der SZ weiter:
Eine niederländische Studie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Teilen des Betts mit dem Kind bei Babys im Alter zwischen einem und zwei Monaten das Risiko für den Kindstod um den Faktor neun erhöht, so der BVKJ. Auch die BZgA rät zum eigenen Kinderbett – insbesondere, wenn ein Elternteil oder beide Raucher sind.
Diese Studie befindet sich offenbar in einem Sonderheft, auf die Studie selbst wird nicht verlinkt.
Stellen sich mir folgende Fragen: Welche Studie ist das? Wer hat sie durchgeführt? Ging es um rauchende Eltern? Was ist mit nicht-rauchenden Eltern? War es SAFE-Co-Sleeping, was dort praktiziert wurde oder waren dicke Decken, Kissen etc. im Spiel? Handelte es sich um eine Querschnittsstudie oder um eine bestimmte Bevölkerungsschicht?
Es wird ein paar Zeilen weiter auf eine andere Arbeit hingewiesen, erschienen im Februar im Magazin der amerikanischen Kinderärzte Pediatrics.
Im Amerika hat sich die Zahl der Babys, die versehentlich im elterlichen Bett umkamen, seit 1984 vervierfacht, da das Bed-Sharing mit dem Stillen immer beliebter geworden war.
Eigenartig. Ruft man die Zusammenfassung der Studie auf, dann steht da:
Infant mortality rates attributable to accidental suffocation and strangulation in bed have quadrupled since 1984. The reason for this increase is unknown.
Der Grund für die Vervierfachung ist unbekannt. Mehr noch – eine schnelle Recherche zeigt, dass SIDS vor allem bei der Afro-Amerikanischen Bevölkerung in den USA auftritt
African American babies were 2.3 times more likely than non-Hispanic White babies to die of SIDS. The rate for White babies was 48.8 per 100,000, while the rate for African American babies was 111.5 per 100,000.
– die wiederum in Fokus ist, weil sie die niedrigsten Stillraten hat – aber das durchs Stillen beliebtere Bed-Sharing (Familienbett) soll dran schuld sein?
Es wird auch nicht erwähnt, dass Co-Sleeping Kinder nach Ansicht anderer Forscher emotional stabiler und früher selbstständig macht. Es ist das „evolutionär ursprüngliche Verhalten“ – wie deutsche Forscher in der Freiburger Säuglingsstudie schreiben (Frühe Säuglingsunruhe: Einfluss westlicher Betreuungspraktiken und Effekte auf Aktivitätsmuster und biologischen Rhythmus). Co-Sleeping-Kinder werden häufiger und länger gestillt, gut für die Gesundheit von Mutter und Kind.
Und jetzt? Tun Sie, was sich für Sie und ihre Familie richtig anfühlt. Wenn Sie sich fürs Familienbett entscheiden, machen Sie es sicher. Meine 10 Tipps – angelehnt an McKenna et.al. folgen im nächsten Posting.
Allseits gute Nacht!