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Fremdbetreuung aus evolutionsbiologischer Sicht

Herbert Renz-Polster hat sich in dem Interview „Die neue Kinderarmut: Ist unsere Gesellschaft in Gefahr?“ von SpielundZukunft.de zur artgerechten Betreuung kleiner Kinder geäußert:

[…] Für die Betreuung ihrer Kinder stützten sich Mütter schon immer auf ein Netz von Helfern. Fest steht: Fremdbetreuung ist nicht etwa gegen die menschliche Natur. Denn rund um den Globus entwickeln Babys ihr Urvertrauen, auch wenn sie nicht ausschließlich von einer, sondern von mehreren Bezugspersonen versorgt werden. Viel interessanter ist aus evolutionärer Sicht eine andere Frage, nämlich die nach der Qualität der Betreuung. Denn im ursprünglichen Lebenskontext der Menschen wurden kleine Kinder immer schon von vertrauten, in das soziale System der Eltern eingebundenen Menschen betreut. Das ergab sich ja schon aus der kleinen Gruppengröße von Jäger- und Sammlergemeinschaften. Man kannte sich, war in ein gemeinsames Netz eingebunden. Die „Fremdbetreuung“ fand in einem räumlich und personell vertrauten Umfeld statt. […]

Seine Lösung für unsere heutige Zeit sieht wie folgt aus:

Kleine Kinder brauchen erstens möglichst verlässliche und stabile Verhältnisse und feste Bezugspersonen. […] Zweitens führte Fremdbetreuung im evolutionären Modell das kleine Kind nicht in eine fremde Welt. Vielmehr kümmerten sich vertraute Personen an einem vertrauten Ort um das Kind. Das lässt sich auch heute schaffen – allerdings nur mit einer langen Eingewöhnungsphase, während der die neuen Bezüge wachsen können. Im Gegensatz zu den Forderungen mancher Bildungspolitiker brauchen Krippen drittens auch kein Personal, das an Universitäten ausgebildet wurde. Viel wichtiger sind erfahrene, kompetente, liebevolle und möglichst verlässlich verfügbare Betreuungspersonen. Viertens sieht das evolutionäre Betreuungsarrangement vor, dass Mütter ihr Kind bei der Arbeit möglichst weitgehend und flexibel bei sich haben können. Das ist das Ur-Modell der Babybetreuung. […]
Last but not least: Die Mutter entscheidet – nicht  irgendwelche Krippen-Skeptiker (die ja meist Männer sind und denen ihr Beruf über alles geht). Es gibt Kinder, die von ihrem Naturell her nicht so gut in einer Krippe zurechtkommen und vielleicht bei einer Tagesmutter besser aufgehoben sind. Und umgekehrt sind manche Kinder in einer gut geführten Krippe besser dran. Eltern wissen am besten, was ihrem Kind und auch ihnen selber gut tut. Wichtig ist auch, dass die Mutter selbst hinter ihrer Entscheidung steht. Denn nur zufriedene Mütter haben zufriedene Kinder.

Lies auch hier:
Fremdbetreuung: Jedes Kind ist anders
Jesper Juul und KiTa

Jesper Juul stellt sein neues Buch vor

… und kommt dafür am 13. November 2012 nach Berlin ins Babylon.

Titel der Veranstaltung und des neuen Buches – eher Broschüre – ist:

„Wem gehören unsere Kinder – dem Staat, den Eltern oder sich selbst?“

Jesper Juul, der bekannte dänische Familientherapeut und Bestsellerautor, entlarvt in seiner Streitschrift die Interessen, die hinter der Kampagne »Jedem Kind einen Krippenplatz« stehen, ruft zur Selbstbestimmung der Eltern auf und macht sich für eine dramatische Verbesserung der Qualität unserer Kinderkrippen und Kindergärten stark.

Ob Betreuungsgeld oder Krippenplatz – kaum ein Thema wird von Politikern und Eltern derzeit heftiger diskutiert. Was dabei häufig aus dem Blick gerät, ist das Wohl der Kinder, und damit das, worum es in dieser Debatte, so Jesper Juul, doch eigentlich gehen sollte. Juul beruft sich auf jahrzehntelange Erfahrungen beim Kita- und Krippenausbau in Skandinavien, wenn er uns eindringlich vor den gesellschaftlichen Folgen warnt, die Frühbetreuung nicht an die Bedürfnisse unserer Kinder anzupassen. Dass es möglich ist, dafür gibt er Beispiele und Eltern den Rat, sich nachhaltig für verschiedene Möglichkeiten optimaler Frühbetreuung ihrer Kinder einzusetzen.

Dankeschön nochmal an kraehenmutter für den Hinweis in ihrem Blog.

EDIT: Juul hat seit dem 14. Oktober eine Kolumne auf derStandard.at und beantwortet nun „alle zwei Wochen Fragen zu Erziehung, Partnerschaft und Familienleben“.

Fremdbetreuung: Jedes Kind ist anders

Bei SpringerMedizin ist ein schönes Interview-Video mit Prof. Klaus Hurrelmann erschienen:

Von Fremdbetreuung, Rabenmüttern und Kita-Qualität

… Es gibt Kinder, die brauchen die kleine Gruppe. Es gibt Kinder, die brauchen die gemischte Gruppe. Es gibt Kinder, die brauchen die gleichgeschlechtliche Gruppe. Es gibt sehr vulnerable, sehr empfindliche Kinder, die gehören in einen anderen Kontext. …

Was Prof. Hurrelmann ebenfalls erwähnt, dass ein Kind eine sichere Bindung zu einer festen Bezugsperson braucht. Somit ist eine gute Basis für eine eventuelle frühe Fremdbetreuung gegeben. Doch sollte man individuell auf jedes Kind schauen, was ihm gut tut, und ebenso genauer auf die Qualität der Tagesbetreuung achten.

Parallel will ich noch auf ein junges Interview mit Herbert Renz-Polster hinweisen: „Kinder brauchen konstante Bindungen“ – … was die Kleinsten schon immer brauchten – und was daraus für die Betreuung abzuleiten ist.