Artgerecht – krank?!

Unser kleine Wärmflaschensammlung

Darf man als artgerecht-Mutter Ibuprofen geben? Oder nehmen? Sind Menschen nicht dafür gemacht, alles mit Naturmedizin auszukurieren? Ist Krankheit nicht sowieso einfach nur eine Frage der richtigen Ernährung oder gar der richtigen Einstellung – also Einbildung?

Patentrezepte funktionieren nicht

Immer wenn ich öffentlich sage, dass wir krank sind oder dass ich krank bin, bekomme ich eine Menge Ratschläge: Du wirst ganz einfach gesund, du musst einfach nur dies tun (meditieren, dich vegan ernähren, nach Thailand auswandern) oder das nehmen (Superfoods als Pulver, Homöpathie, Saftkuren). Die Kernaussage ist:

Nicola, DAS hilft, denn WIR sind NIE krank.

Ich finde das ganz hinreißend. Danke euch allen! Leider helfen vor allem die radikalen, monokausalen Ratschläge („du musst nur …“) in der Regel wenig. Sie mögen dem helfen, der sie gibt. Aber was Dir hilft, hilft nämlich noch lange nicht mir – dazu sind unsere Darmflora und unsere Immunsystem als Ganzes zu unterschiedlich.

Warum Krankheiten normal und doch nicht artgerecht sind

Ich bin ziemlich pragmatisch, was Krankheiten angeht. Ich halte sie weder für eine Strafe Gottes, noch für einen Weg der Erleuchtung noch für unausweichlich.

Wenn wir angeschlagen sind – und das sind wir im modernen Leben oft – werden wir leichter krank. Wir leben nicht mehr ständig draußen, was nachweislich hilft, weniger krank zu sein. Wir haben zuviel Stress, was nachweislich das Immunsystem schwächt. Wir essen nicht mehr ursprünglich, was auch nicht gut ist.

Ich bin zudem der Nachfahre zweier Generationen, die nicht mehr ihre ganze Kindheit lang barfuß liefen. Ich bin Teil einer Spezies, die seit etwa zwei Tausend Jahren mit Nutztieren zusammen lebt. Diese Nähe hat interessante Keime auf uns übertragen, denen Naturvölker nie ausgesetzt waren (sie sterben übrigens, wenn wohlmeinende Zivilisationsmenschen sie besuchen und dort Schnupfenviren o.ä. mitbringen). Aber – merke! – auch Naturvölker werden krank. Anders als wir – aber krank. Manche lösen das Problem schamanisch. Manche mit Naturmedizin. Manche nehmen es einfach hin. Manche halten es für Zauberei – wie Völker mit Krankheit umgehen, ist nach meinem Wissen ganz unterschiedlich.

Sicher ist: Wir sind heute einer viel größeren Menge an Keimen ausgesetzt als jemals zuvor – allein schon, weil wir so viele sind.

Dass Menschen krank werden, ist also prinzipiell normal. Es hat nichts damit zu tun, dass wir etwas falsch machen. Es passiert. Es ist der alte Kampf der Interessen zwischen den Erregern und dem Wirt.

Wie wir möglichst artgerecht krank sind

Wie gehe ich damit um? Ich versuche einfach das zu tun, was mir logisch erscheint:

  • ich gebe dem Körper das, was er braucht (meistens ist das Kälte oder Wärme und Ruhe)
  • ich unterstütze das Immunsystem mit dem, was ich habe (Kräuter, Tee, gesundes Essen…)
  • ich nutze das, was meine Kultur im Angebot hat (Homöpathie, Energiearbeit…)
  • ich tue das, was die Wissenschaft empfiehlt (Ruhe bewahren, viel Körperkontakt, viel Lachen, die Sache gut im Auge behalten)
  • ich genieße die Zeit mit meinen Kindern, die plötzlich da ist, wenn Arbeit und Schule uns nicht den Takt vorgeben (ja, ihr Freilerner, ich weiß, dass ihr das Thema nicht habt, aber wir haben es nunmal)
  • und manchmal nehme oder gebe ich Medikamente – wenn es sein muss.

Pragmatisch: Medikamente oder nicht?

Ich habe eine gute Freundin, die ist Homöpathin. Was ich an ihr liebe, ist ihre Freiheit im Denken. Diese Woche war ich ziemlich krank und musste dennoch arbeiten. Sie sagte: Nimm abends Homöpathie. Steh die Nacht durch. Schwitze. Trink viel. Und morgens wirf eine Ibuprofen oder Grippostad ein, geh duschen, sieh zu, dass du den Seminartag durchstehst, organisiere Hilfe und dann hau dich hinterher wieder ins Bett – nur mit Tee, Wärme und Kügelchen.

Ich liebe sie dafür. Das ist ein Ansatz, dem ich folgen kann: Wenn es geht, stehen wir hier alles ohne Medikamente durch. Meistens geht es. Wenn es nicht geht, mache ich keine Kompromisse. Schon gar nicht in Punkto Sicherheit. Oder Schmerzen.

Glücklicherweise kommen wir fast nie an den Punkt. Sondern genießen den gemeinsamen Thymiantee und die ruhige, kuschelige Zeit, die so eine lange Fieber-Erkrankung für die Familie plötzlich mit sich bringt. Alles bleibt stehen. Alle sind zusammen. Wir haben die Zeit auch genossen.

Was ist also artgerecht krank?

Für mich ist es dasselbe wie immer: So naturnah wie möglich. So individuell wie möglich. So modern wie notwendig. Auf alles mit Antibiotika zu schießen halte ich für genauso falsch wie die Variante, die keinerlei Medikamente erlaubt. Der gesunde Mittelweg scheint mir…gesund.