artgerecht tanzen – Gedanken über die Ursprünge des Tanzes

Ursprünge des Tanzes oder Wann wir Menschen zu tanzen begannen

von www.tanzeit-duesseldorf.de

Von Heidemarie Exner, Tanzlehrerin und I-TP-Tanzpädagogin aus Düsseldorf:

Im folgenden Blog-Artikel geht Heidemarie Exner aus Düsseldorf der Frage nach, warum wir Menschen miteinander tanzen, seit wann und wie kann man sich das vorstellen, d.h. wie haben wir zu Beginn, als wir mit dem Tanzen begonnen, gemeinsam getanzt?

Wie sieht artgerechtes Tanzen aus?

Der Grund meiner Frage war folgender: Während meiner Schwangerschaft laß ich in der Kidsgo-Ausgabe in Düsseldorf eine winzige Anzeige, in der ein besonderes Baby-Buch vorgestellt wurde. Nach den wenigen Zeilen, die dort standen, war mir klar, dass das genau das richtige Babybuch für mich sein würde, denn ich hielt mich aus verschiedenen Gründen noch zurück mit dem Kauf eines solchen. Interessiert schaute ich also bei Amazon nach diesem Buch. Und tatsächlich, es gab dort das „Artgerecht – Babybuch“. Und nachdem ich den Trailer von Nicola gesehen hatte, war mir klar, dass sie in dem Buch eine Sichtweise beschrieb, die ich brennend kennenlernen wollte.

Ein Kurs für artgerechtes Tanzen

Mit dem Buch kamen auch neue Menschen in meine Leben, viele wundervolle Frauen, die auf der gleichen Wellenlänge surften, wie ich es gerne beschreibe. Schließlich saß ich dann letzten Sommer endlich in einem Artgerecht-Treffen, geleitet von der lieben Janica Klee mit ihrer Kollegin Lucia Pichler. Wir erhielten alle so viele Inspirationen und Denkanstöße in Richtung „sich als Mom vernetzten“ und „ursprüngliches Familienleben“. Angefüllt mit vielen Ideen, die ich ausprobieren und umsetzten wollte, lebte ich mich neu in meinen Alltag ein. Mein Babyjahr ging dem Ende zu und ich beschäftigte mich mehr und mehr mit meiner Arbeit, dem Tanzunterrichten. Neben meinen bisherigen Kursen, die ich für Kinder und Erwachsene anbot, spürte ich deutlich, dass ich dringend einen neuen Kurs kreieren wollte, ein Kurs, der ein bedürfnisorientiertes Tanzen, ein „artgerechtes“ bzw. ursprüngliches Tanzen ermöglichen würde, was mir so in der Tanzwelt schlicht weg fehlt.

Tanzen mit Kindern ab drei Jahren

Es ist Dir bis zum 3. Lebensjahr prinzipiell gut möglich mit deinem Kind einen Spiel-, Turn- oder Tanzkurs zu belegen, aber spätestens danach gibt es noch kaum Möglichkeiten, gemeinsam was zu finden. Woran liegt das? Ich glaube zu einen, weil den meisten Eltern die Möglichkeit dazu fehlt, zum anderen, weil Eltern und Kinder in den Freizeitaktivitäten mehr und mehr getrennt werden. D.h. jeder hat seinen „eigenen“ Kurs, jeder hat sein eigenes Hobby, alles trennt sich voneinander. Da das ein Trend unserer modernen Gesellschaft ist, den ich beobachte, ist es mir ein großes Bedürfnis im Tanzen zusammenzubringen, was zusammen gehört, und das sind definitiv Menschen und vor allem Familien.

Ursprung des Tanzens

Der Spur des Ursprungs des Tanzes nachzugehen ist gar nicht so einfach, mittlerweile geht man davon aus, dass der Mensch schon immer getanzt hat, d.h. wir Menschen Bewegungsmenschen sind, die biologisch dazu konzipiert sind und auch sich bewegen müssen um sich optimal entwickeln zu können. Am meisten lese ich, dass davon ausgegangen wird, dass Afrikaner die ersten Tanzenden als solche gewesen sein sollen. Die Entstehung des afrikanischen Tanzes lässt sich nicht so wissenschaftlich nachvollziehen, wie die Entstehungsgeschichten anderer moderner Tänze. Wahrscheinlich gibt es den afrikanischen Tanz, seit es Afrikaner gibt.

Grundsätzlich kann zu dem traditionellen afrikanischem Tanz wohl die Aussage gemacht werden, dass dieser immer in einem sozio-kultischen Kontext steht (der Afrikaner tanzt nicht nur um der Bewegung Willen) und immer mit Musik und anderen künstlerischen Elementen in Verbindung steht. In vielen afrikanischen Sprachen gibt es keinen Ausdruck für unseren westlichen Begriff von Musik. Die Begriffe, die im afrikanischen Sprachgebrauch zu finden sind, bedeuten meistens Tanz und Musik zusammen.

Zudem gibt weniger die „Geschichte des Tanzes“, vielmehr hatte jede Kultur im Laufe der Zeit ihre eigenen Tänze mit eigenen Hintergründen und Kulten. Fest steht jedoch, dass der Tanz als Ausdrucksform des menschlichen Körpers die Menschen in jeder Zeit und Entwicklungsstufe beschäftigt und angeregt hat. Die Tanzgeschichte kann zudem nur rückwärts und oft aus Spekulationen niedergeschrieben werden, da schlichtweg die Zeitzeugen fehlen oder niedergeschriebene Chroniken, in denen die ersten Tanzaktivitäten erwähnt werden. Oft wird dahingehend abgeleitet, was die Menschen trugen oder in ihren Höhlen für Malereien hinterließen.

Tanzen in der Steinzeit

Die Steinzeit, die schon 35.000 Jahre vor Christus begann, zeigt durch diverse Höhlenmalereien, dass die Körpersprache namens Tanz schon damals einen Stellenwert hatte. Abbildungen aus französischen und spanischen Höhlen zeigen oft als Tiere verkleidete Zauberer und Magier, die durch ihre rhythmischen Bewegungen Tiere in ihren Bann ziehen. Dadurch erhoffte man sich großen Jagderfolg, der damals absolut überlebensnotwendig war. Auch Initiationsriten der neolithischen Gesellschaft wurden oft mit Tänzen verknüpft. Tanz war also magisch, kultisch und geheimnisvoll zugleich, ein besonderes, immer im Verborgenen der Höhle aufgeführtes Ereignis.

Der Tanz hatte seine Ursprünge in religiösen Motiven, wurde aber im Laufe der Jahrhunderte aus der Kirche verbannt und entwickelte sich aus dem Volkstanz weiter in Bühnentänze – das klassische Ballett gehört dieser Kategorie an – und in Gesellschaftstänze.

Wie könnte das also ausgesehen haben, dieses ursprüngliche Tanzen?

Was wir in manchen Bildern entdecken können, sind Gruppen von Menschen, die sich wie in einem Reigen fassen oder die geschlechtsspezifische Grüppchen bilden. Manch andere Bilder zeigen Menschen, die scheinbar Tiere nachahmen – das könnte durchaus in einem Tanz geschehen sein. Vor einiger Zeit sind sogar 35-40.000 Jahre alte Knochenflöten gefunden worden, die es erlauben, Töne zu erzeugen. Wie allerdings Musik damals geklungen hat, kann nur pure Spekulation bleiben. Genauso wie die Frage, ob es wirklich so früh bereits Tanz gab und ob dieser mit Musik kombiniert wurde.

Die ersten Quellen

Um es vorweg zu nehmen, die frühesten überhaupt erhaltenen Quellen, die es uns ermöglichen, eine historisch fundierte Choreographie von Tanz als Bewegung zu Musik ernsthaft zu rekonstruieren, stammen erst aus der Mitte des 15ten Jahrhunderts. Dennoch finden sich eine Reihe von Spuren, die uns vom Tanz hinterlassen worden sind, quer durch die Kulturgeschichte der Menschheit. Für die älteste Zeit der Tanzgeschichte existieren zuerst nur Höhlenzeichnungen, Bilder und Plastiken. Später haben wir dann auch Textdokumente und Musiknotationsfragmente, schließlich erst sehr spät im Mittelalter (Mitte 15. Jh.) gibt es auch Notation für rekonstruierbare Musik von Tänzen. All diese Relikte einer vergangen Zeit sind nur mit Vorsicht und einer gewissen Sachkenntnis zu interpretieren. Maringer fasst dazu zusammen: „ Der menschliche Tanz ist ein uraltes Phänomen. Sein Ursprung ist spekulativ erschlossen so alt wie der Mensch. Indirekte Spuren weisen bis in das Altpaläolithikum zurück.“ Dazu gehören Beschwörungstänze zur Vermehrung und Erlegung des Jagdwildes, Sühnetanz nach Erbeutung, Fruchtbarkeitstänze teils mit Maskierung, Kriegstänze, Reihentänze, Maskentänze, Sonnen- und Regentänze bis hin zu profanen Volkstänzen. Später entwickelten sich Einzel- und Paartänze sowie Krieger und Waffentänze.

Tanzen bei „Naturvölkern“

In früheren tanzgeschichtlichen Darstellungen wurden für den Zeitraum auch gerne tanzethnologische Berichte über Völker verwendet, die noch unter steinzeitlichen Bedingungen lebten und romantisierend „Naturvölker“ genannt wurden. Schauen wir hier genauer hin, so erhalten wir einen Einblick, in naturnahe Tanzereignisse, doch auch hier wissen wir nicht, ob und in wie weit genauso am Anfang der Tanzgeschichte getanzt wurde – vermutlich haben sich auch die „Naturvölker“ verändert. Trotzdem ist es spannend zu sehen, wie sich die Menschen zusammenfinden, welche Musik sie nutzen und in welcher Weise sie sich bewegen. Schau ich die Aufzeichnungen an, die mir über YouTube und Co. zur Verfügung stehen, dann fällt mir auf, dass eine Gruppe die Musik macht, und eine andere, Männer oder Frauen, dazu tanzen, stampfen, gehen, hüpfen und springen, alles immer im Rhythmus der Musik.

Wir tanzen – weil es Spaß macht!

In erster Linie tanzen wir, weil’s Spaß macht. Ohne Musik ist eine Feier nur unvollständig und wenn die richtigen Rhythmen gespielt werden, ergibt sich das eine oder andere Tänzchen ganz von selbst.
Heute wie früher kann man Tanzen auch als Kommunikationsmittel einsetzen: in früheren Zeiten war die Aufforderung zum Tanz oft der einzige Weg für einen jungen Mann, relativ unverfänglich in Kontakt mit seiner Angebeteten zu treten (und auch das „Revier abzustecken“, man denke nur an die Ballkarten, die bis vor einigen Jahren noch üblich waren). Maringer beschreibt es treffen so: „ Im menschlichen Sozialleben spielt Tanz eine Rolle, die jegliche Aktivität in Individuum und Gesellschaft berührt. (…) Rhythmik ist untrennbar mit Tanzbewegungen. (…) Die soziale Bedeutung des Tanzes hängt von der instinktiven Anregung und Wirkung auf den Zuschauer ab. Tanz ist ein Übertrager emotioneller Energie. (…) in sozialer Entwicklung sind seine Hauptanwendungen zeremonieller oder dramatischer Natur, die indessen verschiedenen Funktionen des Tanzes einschließen können. In den mimischen Tänzen der einfachen Kulturen sind Verehrung, Drama, Übung, Erregung, Zeitvertreib, Spiel und Kunst eingeschlossen.“

Tanzen mit Kindern – so alt wie der Tanz

Wo waren nun die Kinder, während die Erwachsenen tanzten? In der Höhle, wo vermutlich viel in der Steinzeit getanzt wurde, waren immer alle beisammen und teilten alles miteinander – Mahlzeiten, Schlafzeiten und auch Tanzzeiten, denn das waren die Gemeinschaftszeiten und Ereignisse in der Sippe. Wir können also stark davon ausgehen, dass immer gemeinsam getanzt wurde oder man immer beim Tanzen zusammen war, auch wenn nicht alle immer mittanzten.

Wir Menschen sind rhythmische Lebewesen und lassen uns schnell von ansprechenden Rhythmen mitnehmen und zum Bewegen und Tanzen verleiten. So sind wir gemacht, das ist unsere Natur. Musik und Tanz sind eng miteinander verbunden, und das sehen wir auch an unseren Kleinsten, die diese Ursprünglichkeit noch haben. Mach gerne den Selbsttest zu Hause bei Euch und spiele bei Gelegenheit deinem Laufkind Musik vor, die zum Bewegen animiert und du wirst sehen, wie von alleine sich dein Kind wiegen wird oder in den Knien wippt. Das ist ein gutes Zeichen, daran solltest du unbedingt anknüpfen.

Ein Tanzkurs für Eltern und Kinder ab 3 Jahren – in Düsseldorf

Und was bedeutete dies nun für mich als Tanzlehrerin? Dass ich einen Tanzkurs konzipieren wollte, bei dem das gemeinsame Tanzen als Familie möglich ist, wobei es nicht notwendig ist, dass alle Familienmitglieder mitkommen. Doch es sollte einfach keine Einschränkung geben, wenn alle mittanzen wollen, weder im Alter der Familienmitglieder noch in der Zusammensetzung der jeweiligen Familie. Bei mir kommt eine Tragemama genauso ins Tanzen, wie eine Mutter mit Baby und Laufkind, oder mit mehreren Laufkindern, oder mit schüchternen Kindern oder oder oder. Es ist nun geschafft und seit Januar kommen die Familien in meinen Tanzkurs, den ich „Familientanzkurs“ genannt habe und der Woche für Woche eine ganz einzigartige und wundervolle Atmosphäre und Schwingung hat, sehr berührend für mich zu sehen, dass meine Idee und mein Konzept genau das ist, was Familien zusammen und ins Tanzen bringt. Der Kurs ist einmalig in Düsseldorf, auch ist mir kein ähnlicher Kurs in Deutschland bekannt.

 

Ich komme nach all dem Lesen und Recherchieren vor allem zu dem Schluss, dass jeder Mensch Tanzen kann, weil wir dafür gemacht wurden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, auch wenn mir sicherlich sofort zig Tanzlehrer widersprechen würden. Doch da Tanzen so viel Raum lässt, dass wir auf ganz verschiedene Weisen tanzen können, ist dieser Satz einfach nur Tatsache, Tatsache unserer Kultur und Biologie. Heute würde ich Tanzen in drei Bereiche, in denen wir uns bewegen, benennen: Tanzstile, Improvisation und Freies Tanzen. Auch wenn wir nicht jeder alles Tanzen können, so kann jeder Tanzen. Und das ist meines Erachtens der springende Punkt der bisherigen Diskussion, die ich hiermit auch ad absurdum führen möchte – denn wir müssen nicht mehr darüber sprechen, ob jeder Tanzen kann, natürlich kann es jeder. Wir könnten höchstens darüber sprechen, dass nicht jeder alles Tanzen kann. Doch das ist auch klar, so wie jeder nicht alle Sprachen sprechen oder jeder jeden Sport beherrschen kann. Also, lasst uns darüber weniger sprechen, sondern wie wir Menschen ins Tanzen bringen können, damit wir alle ein reicheres Leben führen, denn das ist es, was Tanzen macht: es bereichert wie alle Künste unser Leben, wovon ich dem Tanz den meisten positiven Einfluss zuschreibe.

Über Heidemarie:

„Als ambitionierte Tanzlehrerin und ausgebildete I-TP-Tanzpädagogin gehe ich neben dem praktischem Vergnügen auch immer wieder spannenden Tanzfragen nach und derzeit beschäftigt mich aus einem ganz bestimmten Grund ganz stark mit der Frage, wie wir wohl zu Beginn der Tanzgeschichte gemeinsam getanzt haben oder anders: wie sieht „artgerechtes“ Tanzen aus?“

Kontakt:

TanZeit Düsseldorf
Studio für Tanz, Bewegung & Kultur
40625 Düsseldorf-Gerresheim

www.tanzeit-duesseldorf.de

Quellen:

  • http://www.griesbeck.name/tanz/historischer-tanz/vorzeit-bis-mittelalter.html am 01.05.18
  • https://www.youtube.com/watch?v=FuZsNpcYlEI Dokumentation von Otto Heinz (1993) am 01.05.18
  • Der Tanz im Leben der vorgeschichtlichen Menschen Ursprung und frühe Tanzformen – Johannes Maringer, aus: Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 107, H. 1 (1982), pp. 7-22
  • Zur Bedeutung der afrikanischen Rhythmik für den Erfolg von Jazz-, Rock- und Popmusik in der abendländischen Kultur – Wolfgang Jaedke, aus: Acta Musicologica, Vol. 67, Fasc. 1 (Jan. – Jun., 1995), pp. 20-38