Biologie+Kultur= Erziehung

Wie geht man eigentlich „richtig“ mit Babies um? Die Verhaltensforscherin Meredith Small von der Cornell University in den USA widmet ihre Arbeit der Frage, wie verschiedene Kulturen mit Babies umgehen und ob es die
„richtige“ Säuglingspflege gibt. Ihre These: Jede Kultur glaubt, dass sie das richtige tut und tut dabei das, was ihren Erziehungszielen entspricht. „Richtig“ wäre es nach Smalls These, das zu tun, was die Kinder von ihrer evolutionären „Programmierung“ her „erwarten“.

In einem Interview mit MedicineNet erläutert Small die Ergebnisse ihrer Forschung.

Demnach sind die meisten Dinge, die Kinder wirklich brauchen, aus Sicht der Verhaltensforschung ganz einfach und kostenlos: Wir sollten ein weinendes Baby immer sofort auf den Arm nehmen, es bei uns schlafen lassen und uns von niemandem sagen lassen, was wir zu tun haben, sondern auf uns selbst hören.

Zur Frage, warum es so viele Unterschiedliche Ansätze gibt, ein Baby zu behandeln, sagt M. Small:

Paretning_Moderator Warum behandeln Eltern in verschiedenen Kulturen die Kinder unterschiedlich?

Speaker_Small Alle Kulturen haben eine Art Ideologie – im Westen glauben wir an Unabhängigkeit und Selbsständigkeit für unsere Kinder und so behandeln wir Babies auf einer Art und Weise, von der wir denken, es mache sie unabhängig. In anderen Kulturen glaubt man an die enge Einbindung in die Familie.

Und – macht das was?

Paretning_Moderator Macht es etwas aus, dass wir Babies anders behandeln als sie es erwarten?

Speaker_Small Ja, es macht etwas aus, dass wir sie anders behandeln als sie es erwarten. Im Westen erzeugen wir sehr viel mehr Weinen, weil wir Babies alleine schlafen lassen, sie nach Zeitplan füttern und sie wenig tragen – also weinen sie. Vielleicht ist es uns egal, dass sie soviel weinen, aber unsere Babypflege ist ziemlich weit weg von dem, was sie erwarten.

Das heiße Eisen zuerst: Co-Sleeping:

Paretning_Moderator Okay, also, die große Frage: Wann ist ein Kind zu alt, um noch bei Mama und Papa zu schlafen?

Speaker_Small Naja, wenn wir nach Japan schauen, ein ökonomisch erfolgreiches, kapitalistisches Land…dort schlafen die Kinder bei den Eltern bis ins Teenageralter. Wir finden das komisch – wir drenken das Bett als Ort, an dem man Sex hat…aber so ist das nicht in anderen Kulturen. Es ist ein Platz, an dem man schläft. Ist es nicht eigenartig, dass es ein Zeichen enger Bindung ist, dass wir Erwachsenen ein Bett teilen…aber wir erwarten von unseren Kindern, alleine zu schlafen. Und dann, wenn sie aufwachsen und einen Partner haben, dann erwartet man, dass sie zusammen schlafen. Um also die Frage zu beantworten: Das Alter, das sich für die Familie gut anfühlt.

Und was ist mit Schreien-Lassen?

Paretning_Moderator Wie lange sollte man ein Baby schreien lassen, bevor man es auf den Arm nimmt?

Speaker_Small In anderen Kulturen werden Babies innerhalb von 10 Sekunden auf den Arm genommen, wenn sie weinen…aber in westlichen Kulturen warten die Eltern im Schnitt 60-90 Sekunden und in 60 Prozent der Fälle nehmen sie das Kind gar nicht auf den Arm. Wenn Sie ein glückliches Baby wollen: Nehmen sie es auf den Arm. Sofort. Immer.

Und was liegt ihr am Herzen? Dass wir auf uns selbst hören:

Paretning_Moderator Unsere Zeit endet. Meredith, gibt es etwas, das Sie noch anfügen möchten, bevor wir uns verabschieden?

Speaker_Small Denken Sie immer daran, dass alles im Leben ein Kompromiss ist…wenn wir entscheiden, das Baby immer zu tragen, ist das Baby glücklich, aber das Elternteil müde. Wenn sie voll stillen, muss das Baby immer bei der Mutter sein. Wir fällen Entscheidungen…und man muss das tun, was sich vom Herzen her richtig anfühlt (und was sich gut anfühlt). Lassen Sie sich von niemandem sagen, was Sie zu tun haben.

(Mehr in M. Smalls Buch Our Babies, Ourselves – How Biology and Culture shape the Way we Parent, es liegt dem „Alle wissen es besser“-Posting zugrunde)

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