Heute habe ich mich gleich zwei Mal über die taz geärgert, das erste Mal über den Artikel von Simone Schmollack mit dem Titel „DEBATTE MACCHIATO-MÜTTER – Selbstmitleid im Szenecafé“.
Frau Schmollack wettert gegen West-Mamas, die im Prenzlauer Berg wohnen, sich eine Karriere-Auszeit für ihre Kinder genommen haben und jetzt plötzlich nach der Trennung feststellen, dass sie sich auf ihre Ex-Männer schlicht nicht mehr verlassen können. Schmollack fährt das übliche Ost-West-Schema auf: West-Frauen verlassen sich finanziell immer auf die Männer, Ostfrauen schaffen alles mit Links alleine.
Simone Schmollack schreibt sonst über Mutter-Tochter-Beziehungen, Kuckuckskinder, Deutsch-Deutsche-Beziehungen und für Tageszeitungen wie eben die taz.
Die Schwarz-Weiß-Malerei von Frau Schmollack erstaunt mich, denn in dem kritisierten Artikel heißt es ganz klar von einer der Protagonistinnen: „Nach dem Studium will Albrecht endlich Vollzeit arbeiten. Sie will eine größere Wohnung und ein zweites Kind.“ Aha. Also kein: „Ich verlasse mich sowieso auf den Mann“. Offensichtlich hat es so aber nicht geklappt, warum, wird im Artikel nicht erwähnt. Die Protagonistin sieht es so: „Ich bin total naiv in diese postfeministische Falle getappt. Ich habe auf Karriere verzichtet, mich mit einem Job fürs Zubrot zufriedengegeben – weil Männer nun mal nicht stillen können.“ Ihr geht es wie der dreifachen Mutter, 44 und „Anwältin, die ihrem Exmann nun Alimente zahlen soll.“
Frau Schmollack schimpft, die Frauen hätten früher wieder Vollzeit arbeiten sollen, dann hätten sie jetzt das Problem nicht. Aha? Vielleicht hätten sie dann ganz andere Probleme!
Was Frau Schmollack – selbst ein Kind der DDR, geboren 1964 und damit in den Vor-70er Jahren in die harsche DDR-Krippe gegangen – unterschlägt, ist dies: Bei gleich wieder arbeitenden oder nach einer Trennung sofort Vollzeit arbeitenden Eltern geht „… die Karriere wiederum auch auf Kosten der Kinder. Denn viele Kinder leiden aufgrund der Berufstätigkeit beider Eltern bei einer Trennung – das ist einer der Erfahrungswerte der Frau vom Jugendamt.“ Schmollack ist nach eigener Aussage selbst alleinerziehend und tönt: „Ich habe kein Mitleid mit diesen Macchiato-Müttern. Ihre Situation ist hausgemacht, sie sind selbst schuld an ihrer Lage.“ Interessante. Genau das haben die portraitierten Mütter im Artikel selbst mehrfach gesagt, welches Bedürfnis befriedigt denn Frau Schmollack, wenn sie ihnen das öffentlich noch einmal aufs Brot schmieren muss?
Sie wirft den Müttern vor: „Dahinter steckt eine passive und gegen das eigene Geschlecht gerichtete Haltung, die vielen Alleinerziehenden jenseits dieser Macchiato-Sphäre vollkommen fremd ist.“ Hm. Alle diese Mütter arbeiten und wollten das auch schon vor der Trennung – was genau ist daran passiv?
„Sie machen allein ihre Geschlechterdifferenz, über die Frauen wie ich aus dem Osten nicht einmal nachdenken, zum Maßstab. Nur wenige Ostfrauen kämen auf die Idee, sich über einen Mann und die soziale Absicherung durch ihn zu definieren. “ – Allerdings – weil sie sich immer über die Absicherung über den Staat definiert haben (und man sollte mal Ost-Mütter über die heutigen Verhältnisse schimpfen hören! und nach meiner Erfahrung haben sie meist ein viel besseres soziales Netzwerk)
Schmollack wirft den West-Frauen vor, „altbacken und langweilig, zutiefst konservativ udn naiv“ zu sein, weil sie erst einmal ein paar Jahre mit den Kindern zu Hause bleiben. Sie erwähnt nicht, dass Generationen von DDR-Kindern psychische Schäden davongetragen haben, weil ihre Mütter so großartig emanzipiert waren, sie mit 6 Wochen über Stunden in Krippen zu geben. Es gibt ein Buch darüber, dessen Autorin auf der WAIMH-Konferenz noch einmal eindrucksvoll geschildert hat, wie stark die Kinder von dieser Erfahrung geprägt wurden. Natürlich gibt es welche, die da dank Resilienz unbeschadet herauskommen. Aber das ist – wissenschaftlich-statistisch betrachtet – etwa ein Drittel. Der Rest nimmt Schaden.
Es geht weiter mit den Vorwürfen: Die Latte-Macchiato-Mütter würden vor allem unter ihrem sozialen Abstieg leiden – dass soziale Ausgrenzung immer ein Problem ist, EGAL von welchem Niveau man kommt, ist natürlich für Frau Schmollack nicht interessant. Dass eine der Frauen in einem – wie von Frau Schmollack vorgeworfen – Dachgeschoß wohnt, wird im Artikel nicht erwähnt. Es wird eher klar, dass der Latte Macchiato an sich nicht das Problem der Frauen ist, sondern der generelle Geldmangel, der Stress und nicht zuletzt auch der Frust darüber, dass sie sich geirrt haben (was die Mütter offen zugeben).
Aber für Frau Schmollack scheint genau hier der Reizpunkt zu liegen und das wiederum gibt eine Ahnung davon, welchen Knopf der taz-Artikel bei ihr gedrückt haben mag. „Wer aber heute auf die finanzielle Sicherheit eines Partners setzt und nicht bedenkt, dass Beziehungen auch auseinandergehen können, der muss sich nicht wundern, wenn der Absturz besonders krass ausfällt.“ Hm, hat hier jemand den Glauben an Beziehungen vielleicht schon lange begraben und das schmerzt noch? Sind Beziehungen daher das große Thema ihrer journalistischen Arbeit?
Ich kann mich dem Rat der Autorin jedenfalls nicht anschließen:
„…bringt eure Kinder rechtzeitig in die Kita und sucht euch einen Job.“ – nein, liebe Mamas, tut das, was ihr tun wollt und wenn es stillen ist (das war nämlich der Grund, den eine der Mamas angab, warum sie ihre Kleinen nicht früher in die Kita gebracht hat), dann stillt und vertraut eure Kinder nicht dem mangelhaft ausgestatteten Unter-3-Jährigen-Verwahrungssystem in diesem Land an.
(Und wer glaubt, alle Ost-Frauen seien ja so Männer-unabhängig anders, der schaue mal hier (danke an soerendervollnettezuhoerer von den taz-kommentaren): „Lebensplanung ostdeutscher Frauen: (…) sie wollen „nach oben heiraten“. Und ihre gutgebildeten, wohlsituierten Göttergatten suchen sie sich zunehmend im Westen.“ und „Alle zwei Jahre ein Kind anschaffen, das bringt auch Geld“ wird die 28-Jährige U. zitiert. Und die hochschwangere 18-jährige S. meint: „Es findet sich immer ein Dummer, der den Papa macht.“