Windelfrei im Kindergarten

Es bleibt nicht aus: Ich hole den Großen aus der Kita ab und genau da muss die Kleine mal und ich halte sie ab – auf der in unserer Kita leicht einsehbaren Kindertoilette. „Trägt sie keine Windeln?“ – mittlerweile wissen alle Erzieherinnen und einige Mütter, dass unser Baby keine, bzw. fast keine, Windeln trägt. Im Moment fällt es natürlich extrem auf, da wir durch das gute Wetter oft noch im Kita-Garten sitzen, weil der Große noch spielen will und weil sie bei der Hitze praktisch keine Windeln mehr anhat.

Gestern sprach mich dann eine Erzieherin nochmal drauf an. Wie ichs mache, warum ichs mache. Und dann:

„Aber bis drei Jahre können sie das doch gar nicht kontrollieren!“

Ich hatte mir ganz fest vorgenommen auf solche und andere Repliken immer erstmal zu fragen, woher die Leute ihre Infos haben. Ich habs leider wieder nicht geschafft. Ich hab mir aber immerhin verkniffen, zu sagen, das sei ein Mythos (obwohl ich das mittlerweile glaube, aber ich kanns halt nicht beweisen).

Ich hab ihr stattdessen umständlich sowas gesagt wie: „Naja, ich weiß, aber sie wartet, bis man sie abhält, sie meldet sich, sie pinkelt, wenn ich es anbiete, sie hält an, wenn sie erschrickt und macht weiter, wenn man es danach nochmal anbietet…also ich kann das nicht bestätigen…“

Ich vergesse immer wieder, dass das die Info ist, die alle haben: Bis drei geht das nicht. Mir kommt das mittlerweile so weit weg, so altmodisch, so fern vor…so wie Wissen aus einer anderen Zeit. Ich kenne so viele Mütter, bei denen es anders ist, ich habe jetzt zwei Kinder, die warten, signalisieren, bei „jetzt kannst Du“ machen – lange vor dem dritten Lebensjahr und ohne Zwang oder Druck, sondern von sich aus.

Eigentlich kann ich gar nicht glauben, dass es nicht längst schon alle anderen auch wissen. Sind es nur die älteren Semester, die das „noch“ gelernt haben oder lernt man das an der Uni immer noch? Wer lehrt das eigentlich? Wo steht das? Auf welcher Grundlage wurde das in die Lehrbücher aufgenommen? Lauter Fragen, die mich beschäftigen, aber ich weiß nicht wo (und wann…) ich nachschauen soll…

Was ich schön finde: Niemand in unserer Kita findet windelfrei abartig oder gefährlich oder macht sich Sorgen. Alle sind mehr oder weniger interessiert und offen. Das erleichtert mich sehr. Am Anfang habe ich eher versucht, niemanden unsere Abhalterei merken zu lassen.

Was sie möglicherweise beruhigt ist, dass der Große ja ganz normal ist, obwohl ichs mit ihm auch schon gemacht habe ;).

7 Gedanken zu „Windelfrei im Kindergarten

  1. Ich finde, der Satz „Aber bis drei Jahre können sie das doch gar nicht kontrollieren!“ klingt genauso wie „Und schläft es schon durch?“ oder „Kriegt es denn da überhaupt Luft?“ (im Tragetuch) oder „ab 6 Monaten ist Muttermilch doch schädlich“ oder oder…
    Es ist dieses typische „gefährliche Halbwissen“ à la „Spinat ist sehr eisenhaltig“. Sowas „weiß“ man auch, ohne Kinder zu haben, verstehste, was ich meine?

  2. Du machst mir Hoffnung – im Sinne der positiven Reaktionen! Ab September muss mein Kind (dann 6 Monate) zur Tagesmutter. Mir ist noch nicht ganz klar, welchen Modus ich dann anstrebe, aber momentan läuft es sooo gut – es wäre einfach schade, wenn das völlig kaputt ginge. Andererseits ist sie ja da nur ein paar Stunden und vielleicht kann man die Tagesmutter sogar überzeugen, sie zumindest nach dem Essen und Schlafen abzuhalten/auf Töpfchen zu setzen. Ich finde die Vorstellung, das Kind den ganzen Vormittag in feuchten Windeln zu haben wesentlich abartiger als ein halbjähriges Kind, das schnell in’s Töpfchen macht.

    Ich hoffe mal das Beste – wir wohnen ja offenbar in (der Nähe) einer Windelfrei-Hochburg. Und danke für Deine Anregung – Du hast mir vor zwei Monaten den entscheidenden Impuls gegeben, auch wenn ich windelfrei schon während der Schwangerschaft kennenlernte – es schien mir zu kompliziert im städtischen Alltag. 😉

    Zum Thema „Die können das doch noch gar nicht!“: Ich glaube auch, die eigentliche Herausforderung des „Sauberkeitstrainings“ ist, WIEDER zu lernen, dass es eben nicht in die Windel soll und zu lernen, die Zeit abzuschätzen, die man braucht, um auf die Toilette und aus der Kleidung herauszukommen. Das ist natürlich wesentlich komplexer (allein schon die Motorik, eine Hose herunter zu ziehen) als das simple Gespür dafür, wann man „muss“ und es zu halten, bzw. gezielt loszulassen. Nur leider wird daraus dann schnell, dass die Babys auch das Körperempfinden nicht hätten. Das ist eigentlich so absurd wie zu sagen, Babys können keine Schmerzen empfinden…

    1. Hi Michi,

      Danke für den Link. Ich hab Karin auf dem AFS-Kongress kennengelernt. Sie hat gerade zu windelfrei für uns geforscht, das erscheint Ende der Ferien hier auf dem Blog. Sie macht eine großartige Arbeit, wirklich klasse! Wie hast Du sie gefunden?

      🙂
      nic

  3. Ich finde es total erschreckend was du dir für Gedanken bzgl der Gedanken anderer machst… gibt es tatsächlich Menschen die Windelfrei abartig oder gefährlich finden? Für mich ist das ja auch Neuland, habe vor kurzem erst davon gehört und fand es gleich total interessant. Wenn ich überlege wie schwer es ist meinen Großen (3 Jahre) aus der Windel zu bekommen… ich weiß dass er merkt dass er muss, ich weiß auch dass er es halten kann, aber es ist so normal für ihn in die Windel zu machen und so fremd und abnormal eben nicht in die Windel sondern auf Toilette zu machen… eigentlich ist das doch eher in irgendeiner Art abartig, dass man es erst zulässt dass ein Kind sich an etwas gewöhnt um es ihm dann wieder abzugewöhnen.

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