Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Punkt!

Jamie Oliver bestraft seine Tochter mit Chili, „weil sie frech war“. Der Chili-Gate geht durch die Medien. Oliver will Kindern gutes Essen nahe bringen und straft – hinterhältig und geplant wegen einer „Frechheit“ – sein Kind mit Essen?

Scotch_Bonnets

Das geht gar nicht. Das geht absolut gar nicht. Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Und auch wenn es nicht in alle Köpfe geht: das geht!!!

1. Strafen funktionieren nicht, Herr Oliver. Vergessen Sie es. Authentisches Gegenüber funktioniert, auch Konsequenzen („so können wir nicht losfahren, es geht einfach nicht!“) sind verständlich, aber meiner Ansicht nach ist die Strafe an sich ein völlig überholtes, falsches, gewalttätiges, sinnloses Erziehungsmittel.

2. Was Sie getan haben, ist auch aus meiner Sicht Kindesmisshandlung. Sich öffentlich damit zu brüsten, ist nicht nur ein PR-Lapsus – es ist ein erschreckender Blick in die Wirklichkeit unserer Zeit.

3. Aber am meisten schockiert haben mich die Berichterstattungen und Reaktionen in Deutschland – autsch!!

Ich bin heilfroh, dass es Frauen wie Susanne Baller gibt, die auf Stern.de schon vor der großen Empörungswelle schrieb:

„Das ist, gerade bei einem Koch, der genau weiß, was er tut, ein Fall von Kindesmisshandlung.“

Nachdem Kommentare kamen wie:

„Mein gott meine Mutter wurde früher mit Gürtel bestraft zum Glück gibt es das heute nicht mehr aber nen klaps auf den Hintern. .sorry das hat noch niemandem geschadet im Gegenteil manche hätten das echt mal dringend nötig.“

oder

„Seh ich auch so mal eine Watschn schadet nicht,warum sind Jugendliche und Kinder heut so rotzig,weil sie keine Grenzen mehr haben,das ist ungesund,das braucht jedes Lebewesen….“

schob Frau Baller nach:

„Er wollte seiner Tochter wehtun, verdammt!“

Danke dafür – denn diese Reaktionen enthüllen, was auch wir immer wieder sehen – oder eben nicht sehen wollen. Gewalt gegen Kinder, körperliche und auch verbale, sind an der Tagesordnung und in Deutschland noch immer nicht ausgerottet. Wie auch? Unsere eigenen Eltern haben sie ja teilweise noch massiv erfahren. Und die Medien spiegeln das wieder. Spiegel Online lässt die Sache fast umkommentiert und berichtete erstmal sehr zurückhaltend. Der Merkur Online schreibt: „Denn Oliver, der vor Kurzem zwei seiner Restaurants schließen musste, plant demnächst einen neuen gigantischen Restaurant-Komplex in London aufzubauen. Ein bisschen PR würde ihm womöglich nicht schaden. Jedoch wären positivere Schlagzeilen zu wünschen gewesen.
“ – äh, bitte WAS? Da kratze ich mich dann nur noch ratlos am Kopf.

Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Wir alle machen Fehler. Aber Strafen und Gewalt fallen nicht unter „kann schon mal passieren“. Eltern haben dafür zu sorgen, dass sie in einem mentalen und geistigen Zustand bleiben, der ihnen das ermöglicht. Wenn wir nicht artgerecht gehalten sind, ist das nicht das Problem der Kinder und darf es nicht werden!

Ich bin alleinerziehend und weiß, wovon ich rede. Ich stehe oft unter enormem Stress und Druck. Was tue ich also?

1. Wenn ich merke, dass mir gleich der Geduldsfaden reisst, dann gehe ich meistens einfach raus. Raus aus dem Zimmer oder raus aus der Wohnung. Zwei Minuten frische Luft haben schon so manchen Streit entschärft und sorgen für einen klaren Kopf.

2. Ich-Botschaften („Mir ist das zuviel! Ich will nicht, dass wir in diesem Ton miteinander reden. Ich will für dieses Problem eine Lösung finden, ihr wollt das, ich will das – lasst uns uns abregen und dann gemeinsam eine Lösung finden.“) funktionieren gut, um auch verbale Gewalt zu umgehen. Sätze a la „Du dummes Kind!“ tun unheimlich weh. Ein Mann im Park mal sagte mal zu meinem tobenden, weinenden, sich ärgernden Dreijährigen: „Solche Kinder kamen früher ins Heim!“ – mein Sohn hat Jahre gebraucht, um sich von diesem Satz zu erholen und immer wieder gefragt, ob das wirklich so sei – obwohl er von einem Fremden kam!

3. Ich schaue meine Kinder an. Ich schaue in ihr Gesicht und versuche, das Bedürfnis hinter dem Streit zu sehen (das kann ich aber erst, wenn ich runtergefahren bin, siehe 1.). Dann sehe ich nicht mehr den Konfliktpunkt, sondern den Menschen. Seine Bedürfnisse. Dann wird mir wieder klar: Wir können oft gar nicht abschätzen, welche Macht wir haben und wie schnell und tief wir Kinderseelen verletzen. Und dann kommt die Liebe. Und dann kommt auch die Lösung.

am SEE

Ich schließe mich daher Susanne Mieraus Aufruf an:

Wenn es uns selbst schon an positiven Vorbildern in der Presse mangelt, sollten wir nach unseren Kräften daran arbeiten, das Wissen darum zu verbreiten, dass Kinder unschlagbar sein sollten und jeglische Gewalt in der Erziehung nichts zu suchen hat.

Macht mit bei der Aktion „Kinder sind unschlagbar“: Schreibt einen Artikel darüber, warum Kinder nicht geschlagen werden sollten oder anderweitig körperlich oder seelisch bestraft oder warum ihr Eure Kinder nicht schlagt oder was ihr tut, wenn Ihr wütend seid und kurz davor steht, Euer Kind zu schlagen oder ihm Gewalt anzutun. Zeigt Eure Problemlösungsmöglichkeiten.

Lasst die Welt wissen: Es geht auch anders! Gewalt gegen Kinder darf nicht sein!“

2 Gedanken zu „Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Punkt!

  1. „Gewalt gegen Kinder, körperliche und auch verbale, sind an der Tagesordnung und in Deutschland noch immer nicht ausgerottet. Wie auch? Unsere eigenen Eltern haben sie ja teilweise noch massiv erfahren.“

    Nicht nur unsere Eltern. Auch viele Leute unserer Generation (mich eingeschlossen) wurden von den eigenen Eltern geschlagen oder mit verbaler Gewalt gedemütigt. – Es ist viel näher dran, als es scheint.

    Und umso schwerer ist es, sich davon frei zu machen und nicht in die Muster zu verfallen, die uns vorgelebt („eingebläut“ = mit blauen Flecken…) wurden. Der Weg zu einer komplett gewaltfrei aufwachsenden Generation ist noch sehr lang und braucht noch sehr viele Menschen, die sich ihrer eigenen Vergangenheit mit aller Kraft entgegenstemmen. Nicht jeder hat diese Kraft. Selbst AP-Eltern nicht immer. Ich bin heilfroh, dass ich bislang noch immer Wege gefunden hab. Aber es ist weitaus schwerer, als ich dachte. Und mein Kind ist weitaus kooperativer als viele andere…

    Und, was die Sache noch schwieriger macht: Bei AP-Eltern ist die Scham über das eigene Versagen so groß, dass es für die nächste Konfliktsituation gleich von vornherein entmutigen kann. Und dann beginnt ein Teufelskreis. Denn die schlimmste Hürde ist das erste Mal. (Wie beim Alkoholismus: Nicht das dritte Glas stehen lassen, sondern das erste. – Nicht beim 2. Mal nicht mehr die Kontrolle verlieren, sondern beim 1. Mal.)

  2. Alle machen Fehler…

    Ich kann nicht immer ruhig bleiben, ich werde schon mal sauer, ich hab mein Kind schon mal angeschrien oder zu fest am Arm gepackt, ich habe es schon mal beleidigt und ich bin häufiger ungerecht.
    Leider gelingt es mir nicht immer das Bedürfniss zu sehen – obwohl ich nichts lieber möchte – weil MEIN Bedürfniss mich gerade so packt und ich kann auch nicht immer rausgehen, weil das Kind hinter mir herrennt und gerade Kontakt braucht.
    Ich bin ungerecht, sauer und manchmal gemein und ich weiß das ist ein Fehler! Es passiert trotzdem.
    Und dann? Dann entschuldige ich mich! und ich sage: „Ich weiß das war doof und es tut mit seeehr leid. Ich war einfach furchtbar sauer – ich weiß selber nicht warum.“

    Gewalt – geht gar nicht (!!) und passiert doch! Leider! Und ich finde es wichtig, dass das kein Tabuthema ist!

    Und irgendwann verraucht die Wut und es tut einem leid. Und dann kann man sich (für den Fehler) entschuldigen!

    (Und sich natürlich nicht damit brüsten…)

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