Es war einfach zu verführerisch: Mein Sohn seit einer Woche nur drei Mal kurz mit Windel, angenehme 25 Grad und wir haben mit Freunden und ihren zwei Kindern einen Ausflug in den Wildpark geplant. Wenn das nicht die ideale Kombination ist, um mal Windelfrei in Aktion zu zeigen! Was ich nicht wusste: Es war auch die ideale Kombination, um sich großartig öffentlich nass machen zu lassen.
Die Woche war einfach wundervoll. Die Stadt kochte, in unserer Wohnung waren tagsüber 30 Grad und abends immer noch 28, das Kind war entsprechend leicht bis gar nicht angezogen. Wir waren ein eingespieles Team, ein Tanz aus dem Gefühl „er muss mal“, dem Blick auf die Uhr und wenn ich mal abgelenkt war kam zuverlässiges Schimpfen aus dem Tragetuch. Es gab auch kleinere Unfälle, beim Spielen oder wenn ich allzu unaufmerksam war, aber viel weniger als sonst und außerdem ließ sich ja alles mal eben fix in der Dusche wieder abspülen oder trocknete in der Hitze schon auf dem Weg dorthin. Nachts war er teilweise ganz trocken oder musste nur ein einziges Mal. Nach 4 Uhr morgens stillte ich das letzte Mal schon voller Vertrauen im Liegen, weil da sowieso nichts mehr passierte.
Gegen Ende der Woche dann ein weiterer Meilenstein: Robben und Hocken. Er fing an, sich auf dem Bauch rückwärts zu schieben und die Beinchen unter den Bauch zu schieben – der Weg zum Krabbeln!
In den beiden darauf folgenden Nächten kam es, wie es kommen musste: Als ich zum Stillen aufwachte, war das Bett nass. Ich schob es auf meine Müdigkeit und dachte mir nichts weiter dabei. Außerdem haben wir ja seit neuestem den tollen neuen wasserdichten Matratzenschoner, so dass nächtliche Unfälle keine Nervenzusammenbrüche mehr auslösen, sondern mit Schulterzucken und Handtuch-Drauflegen erledigt sind.
Am Samstag sind wir mit Freunden im Wildpark verabredet. Drei Kinder und vier Erwachsene zwischen Mangalitzer Wollschwein und Pommerschem Landschaf bei 25 Grad – wenn das nicht nach windelfrei schreit. Glücklicherweise bin ich nicht so übermütig, das Kind auch im Auto nackt zu lassen, also trägt er bis zur Ankunft im Park eine Windel und erst als er sich im Park zum ersten Mal erleichtern muss, ziehe ich sie ihm aus.
Die üblichen Blicke und bei mir das stolze Gefühl, hey, ich hab die Wahl, ich KANN ihn ohne Windel lassen, wenn ich das möchte, wir haben das DRAUF.
Nicht gut. Gar nicht gut.
In meinem Wir-können-das-auch-hier-Höhenflug ziehe ich meinem Sohn die Hose ohne Windel wieder an und nehme ihn wieder auf den Arm. Und dann keine halbe Stunde später der Klassiker: Wir stehen bei den Exmoor-Ponies. Ich denke: Hm, ob er mal wieder muss… aber da trabt gerade eine hübsche Stute auf uns zu und ich vergesse den Gedanken. Wahrscheinlich wäre es sowieso egal gewesen: Den Blick gebannt auf die Pferdenüstern gerichtet, stehen wir beide am Gatter und plötzlich wird es an meiner linken Seite warm…so warm…oh je, das ist keine telepathische Vorahnung mehr, that’s the real thing!
Seufz. Mein T-Shirt ist nass. Mein Sohn auch. Sein Body ist nass (warum hatte ich den nicht offen gelassen??) Seine Hose ist nass (warum hab ich sie ihm überhaupt wieder angezogen?). Mein Herz ist auch nass (warum hab ich ihm nicht einfach die Windel wieder angezogen, verflixt, ich hab keine Wechselsachen zur Hand und hier ist es doch so spannend für ihn!!).
Zum ersten Mal seit wir windelfrei-en ist mir das nasse Kind, das nasse T-shirt peinlich. Warum? Weil ich vorher noch so stolz war. Weil ich nicht einfach – wie sonst – gesagt habe, hey, wir probieren das, klappt nicht immer, aber warum nicht, erklappt meistens? Weil ich nach der erfolgreichen Woche das überhebliche Gefühl hatte, ich hätte es jetzt heraus. Ich könnte es – ha, da war es, das böse Wort! – kontrollieren.
Kann ich nicht. Am allerwegnisten dann, wenn ich denke, ich könnte.
Glücklicherweise waren wir mit beschäftigten, wohlwollenden, wohlerzogenen Menschen unterwegs, die das Geschehene einfach übersahen. Ich habe dann Kind, mich und die Hose in der gnädigen Sonne trocknen lassen, ihn noch zwei Mal abgehalten und dann kleinlaut wieder angezogen. Zurück beim Auto habe ich ihm eine Windel verpasst – und in der seitdem vergangenen Woche hatte er „häufig“ (3-4 Stunden am Tag) auch eine an.
Seit zwei Tagen signalisiert er nämlich gar nicht mehr. Nix, nada. Krabbelentwicklungssprung, der sich im Wildpark ankündigte? Vielleicht. Er nutzt wie bei bisher jedem Sprung noch die Gelegenheiten, die ich ihm biete. Also: Sicherheitswindel nachts, Vormittagswindel für Mamas Nerven und ansonsten: Lächeln, Wischen, Waschen und ihn wann immer möglich im Tragetuch lassen (denn dort bleibt er trocken).
Wir sind also nicht mehr hardcore-Windelfrei. Das Gute: Es hat seine Gründe. Er übt gerade wie wild Krabbeln, schaut erstmals Sachen an, die über seiner Sichtlinie sind und sagt deutlich, wenn er irgendwohin möchte. Und auch ich hab meine Lektion gelernt: Angeben wollen will ich sicher so bald nicht mehr ;)!