Immer wieder werde ich gefragt, wie denn unsere Kita-Eingewöhnung läuft bzw. gelaufen ist. Eines der Lieblingsvorurteile gegenüber Attachment-Parenting ist ja, dass die Kinder mit „der Erziehung“ überhaupt nie selbstständig werden können. Bei der Kita-Eingewöhnung müsste man es spätestens merken, dass das Kind sich absolut nicht lösen kann. Also – wie ist’s gelaufen?
Nochmal zur Erinnerung: Wir haben unser Kind weder je in einen Kinderwagen noch in einen Autositz gezwungen, noch musste er sich jemals von Mama oder Papa trennen, wenn er gezeigt hat, dass er das nicht will. Er schläft bei uns im Bett, stillt noch und wurde in seinem ganzen Leben auf seinen Wunsch hin getragen (was kein Muss-Merkmal von AP ist, aber unser Sohn wollte es partout nicht anders).
Unser erster Kita-Versuch fand vor einem halben Jahr statt, da war er zwei. Es war eine Art Halbtags- Waldkita mit Bio-Essen, Naturspielzeug, zweisprachigen Erziehern, annehmbarer Betreuungsschlüssel – die Tussi-Akademiker-Perfektions-Mama in mir war total begeistert. Nach etwa zwei Wochen Eingewöhnungsversuch wurde allerdings deutlich, dass das Kind vollkommen anderer Meinung war – und dass er recht damit hatte. Wir passten von der Einstellung her einfach nicht zu den Erziehern. Es gab plötzlich Druck, weil das Kind noch gestillt wurde (was ich vorher angekündigt hatte) und „man ein Stillkind nicht eingewöhnen kann“ und es wurden plötzlich Regeln aufgestellt, die mir nicht einleuchteten (ab dem zweiten Tag „durfte“ ich mein Kind nicht mehr auf den Arm nehmen, wenn es weinte, „weil wir hier alle laufen, das müssen sie lernen“). Zudem versuchten sie, mit nur einer voll ausgebildeten Erzieherin zwei Kinder gleichzeitig einzugewöhnen, was dazu führte, dass keines der beiden diese Zeit überstand – beide Familien kündigten den Vertrag wieder.
Nach dieser Erfahrung begann ich dennoch zu zweifeln: Konnte mein Sohn nicht loslassen? War AP doch dazu geeignet, kleine Rockzipfel-Kinder zu produzieren (und dann natürlich gleich die Grundsatzfrage: inwiefen ist das eigentlich schlimm?). Ich gab nicht auf. Nach Indien starteten wir einen neuen Versuch. Diesmal in einer Kita, deren äußerliche Merkmale eigentlich total abschreckend waren: Plastikspielzeug, Lieferessen, eine Haupterzieherin, die nur gebrochen Deutsch spricht, kein Grün drumrum. Aber irgendwas daran gefiel mir – und dem Kind auch. Ich kann es nicht sagen, es war einfach der Bauch, der sagte: „Hier könnte er sich wohlfühlen.“ Zudem ist die Kita, anders als die Waldkita, altersgemischt, es sind derzeit nur zwei Zweijährige dort, alle anderen 10 Kinder sind vier oder älter.
Kurz und gut: Es dauerte vier Tage. Dann ging er alleine mit der Kindermeute auf den Spielplatz und kam nach zwei Stunden selig wieder, während ich in der Kitaküche Blogeinträge schrieb. In der zweiten Woche hatte ich Dienstags einen Termin und fuhr um halb elf weg – als ich anrief, sagte man mir, ich könne gerne noch wegbleiben, also trieb ich mich noch herum und als ich um halb zwei mein Kind holte, sah er mich verdutzt an, als wollte er sagen: „Bist Du verrückt? Schon nach Hause?“. Nach dem Mittagsschlaf wachte er zu Hause auf und fing an zu weinen: „Wo ist Kilaladen? Wo sind Kinder?“
Die älteren Kinder, zwei sind sechs, passen auf ihn auf, tragen ihn herum, helfen ihm auf dem Spielplatz auf die Schaukel. Mit zweien der jüngeren Mädchen verbindet ihn so etwas wie eine Freundschaft – wenn er morgens kommt, laufen sie jubelnd auf ihn zu und rufen seinen Namen, was er ebenso begeistert erwidert. Sofern es das Wetter erlaubt, sind sie jeden Tag auf dem Spielplatz. Die koreanische Erzieherin ist ein asiatischer Engel an Geduld, Albernheit, Spielfreude und lustigen Einfällen.
Er ist seit fast vier Wochen dort und heute Morgen hatten wir die mittlerweile übliche Situation: Er sitzt mit den Kindern am Frühstückstisch, ich komme noch einmal herein und will Tschüss sagen und mein Engel streckt die Hand aus und ruft: „Mama! Nein! Ich spielen! Mama geht arbeiten!“, gibt mir einen Kuss, steht auf, macht mir die Tür auf, „Tschüss Mama“ und knallt die Tür hinter mir zu.
Er hat nicht ein einziges Mal geweint.
Traumhaft! Ganz das Gegenteil von unserer Kitaerfahrung. Mein Sohn (fast 4) will immernoch nicht hin, nach mittlerweile einem Jahr. Trotz/wegen AP, wer weiß das schon. 🙂
Hm, ich erinnere mich nur noch, dass das bei euch von Anfang an kompliziert war…magste mir nochmal auf die Sprünge helfen, wie das ging? Ihr hattet doch irgendwie eine Tagesmutter, die er aber nicht mochte und Du auch nicht so 100%ig….ach, mein Siebhirn…
Interessant – ich glaube, dass viel auch daran liegt, dass es eine Altersmischung gibt. Meine Tochter (3) fuehlt sich immer wohler, wenn auch ein paar aeltere Kinder da sind, oder auch Babys, um die sie sich gerne kuemmert. Ist jedenfalls meine Theorie, und daher bin ich kein Fan von „Raeumen“ je nach Alter, wie das bei fast allen Kitas hier in Schottland der Fall ist.
Ich finde, das diese Loslassprozess ganz viel mit der geburt und den ersten Wochen im Leben des Neugeborenen abhängt und wie die Erz. die Kinder annehmen – so wie sie sind oder ob die Erz. die Kindern in ihre Erwartungen pressen wollen. Mein Großer ist erst mit 4,5J in den KiGa gekommen und ist nie gern gegangen und Eingwöhnung war schwierig. Das agt er heute noch, das er Kiga blöd fand. Töchterlein ist mit 3 reinspaziert, als hätte es nie was anderes gegeben, brauchte keine Eingewöhnung. Sie hat allerdings nach 2 Monaten beschlossen, das Kiga erstmal reicht und sie lieber daheim bleibt. 🙂
Oh, das klingt prima! Ich wünsche Euch, dass es auch in Zukunft so bleibt. Ich hoffe auch sehr auf unseren zweiten Versuch…
Klar, das ist ja immer so: Jedes Kind ist unterschiedlich. Mein Blog will auch gar nicht behaupten, dass ALLE AP-Kinder so oder so sind. Es will nur zeigen: Es sind auf keinen Fall alle AP-Kinder total unselbstständig, anhänglich und „das mit dem Tragen und dem Windelfrei ist doch totaler Quatsch, das machste eh nicht lange!“ – so isses nämlich nicht. Und es gibt auch Tage, da sagt er morgens: „Mag nicht Kita“. Das läuft dann so ab:
„Mag nicht Kita“
„Okay, Du musst nicht. Wir haben aber gesagt, dass wir kommen, also fahren wir jetzt hin und wenn Du dann nicht dableiben magst, dann nehm ich dich wieder mit. Aber wir müssen Bescheid sagen, sonst wundert Jong-Ja sich.“
Das akzeptiert er immer. Und wenn wir dann erst da sind – dann ist er so schnell in der Kindergruppe versunken, dass ich es oft kaum schaffe, ihm noch den Fahrradhelm abzunehmen ;). Allerdings ist meine Aussage auch authentisch: Wir haben das Mutter-Kind-Büro, wenn er wirklich mal nicht wollte, würde ich ihn wirklich wieder mitnehmen.
Ich finde den Bericht super und ermutigend. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass meine Tochter sehr begeistert ist, wenn größere Kinder da sind und dann ganz vergisst, ob ich noch da bin. Nur eine entsprechende Betreuungsperson/-situation habe ich noch nicht gefunden, aber wir haben ja auch noch Zeit.
Magst du nicht einmal noch mehr über das Mutter-Kind-Büro schreiben? Wie es genau aussieht? Wie es funktioniert? Ob du dich dort wirklich konzentrieren kannst? Wieviel Kinder normalerweise dort sind? Ob sich die wirklich miteinander beschäftigen? etc. Ich würde mich sehr freuen. Ich bin auch schon die ganze Zeit am Überlegen, ob das etwas für uns wäre, aber habe Angst, dass es zu anstrengend wird. (Ich nehme meine Tochter seit ende des Mutterschutz 1x pro Woche in die Arbeit mit und bin nachher schon immer sehr erschöpft. Dort sind allerdings auch keine anderen Kinder.)
lg, Sonja
Hi
das freut mich ja wirklich total, dass es so super läuft bei Euch! Und wie man an den Kommentaren sehen kann: Jedes Kind ist so unterschiedlich, manche mögen Gruppen mehr, andere weniger. Unser Sohn (1 1/2) stürzt begeistert auf wildfremde Kinder auf dem Spielplatz zu, die wiederum sind mit ihren manchmal schon 5 Jahren immer noch nicht begeistert über so rege Kontaktaufnahme. Der eine sitzt gerne alleine daheim und liest, die andere freut sich, mit Leuten den Tag zu verbringen.
AP heisst daher für mich weder frühe Selbständigkeit noch besondere Anhänglichkeit, sondern das zu tun, womit sich das Kind am wohlsten fühlt. Und manchmal ist das vielleicht nicht die erste Idee (wie „Mag nicht Kita“), sondern die zweite, aber manchmal ist es eben doch die erste und dann sollte das auch gut sein.
Wie dann die Selbstverwirklichung und das Geldverdienen der Erwachsenen trotzdem stattfinden kann, das ist natürlich eine ganz schöne Herausforderung, aber dafür sind wir ja schon gross und erwachsenen, dass wir die annehmen können und nach Lösungen suchen können.
Also toll, Nica, dass Du das aufgebaut hast mit dem Eltern-Kind-Büro. Und Ja – schreib nochmal mehr, damit sich auch andere davon inspirieren lassen können!