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Warum Eltern niemals „Du bist doch unsere Große!“ sagen sollten

Jedes Kind hat seinen Platz auf dieser Welt – aber auch eine facettenreiche Persönlichkeit!

Es kommt uns so schnell von den Lippen: „Ja, die Nina, das ist unsere Ordentliche.“ „Peter ist einfach wild, das war schon immer so.“ „Liam ist ein ganz stiller, das wird sich auch in der Schule nicht ändern.“

Jedes Kind findet in der Familie seine ökologische Nische. Das ist natürlich und okay, wenn schon das große Kind sehr aufbrausend ist, ist das nächste in der Regel stiller – das ist nunmal die Nische, die noch frei ist. Wichtig ist nur, dass wir unseren Kindern immer wieder auch aus ihren Rollen heraus helfen. Denn wir sind alle so viel mehr als immer ordentlich, immer verantwortungsvoll, immer umsichtig, immer wild oder immer still! Die Welt ist groß – sie liegt unseren Kinder zu Füßen – lasst sie die ganze Perspektive sehen.

Wir Eltern sollten also der Versuchung widerstehen, haben einem aufbrausenden Geschwister ein ruhiges in seiner Haltung fest zu zurren: „Der Jan ist schon so wild, jetzt sei du wenigstens kooperativ!“ Denn die Kinder kooperieren und wenn der Kosename „Mein Engel“ zu Etikett wird, kann das Kind ein Leben lang damit zu tun haben, auch mal seine eigene wilde Seite zu finden.

Wie es geht

Wie ermöglichen wir also unseren Kindern, aus ihren Rollen heraus zu kommen?

  • Wir erlauben negative Gefühle bei den ruhigen, braven Kindern: „Du bist sauer, richtig? Ich sehe das.“ und jetzt nicht „Naja, da stehst du doch drüber, jetzt machen wir was Schönes“, sondern „Worüber hast du dich geärgert? Willst du es mir erzählen? Was könnten wir jetzt tun? Willst du es deinem Bruder vielleicht sagen, dass es dich verletzt hat? Ja, hau mal auf das Kissen, schrei es raus, sowas muss an die Luft!“Wir machen immer klar, dass ein Gefühl kein Etikett ist: „Du fühlst Wut, aber du bist kein Wüterich, du fühlst dich gehemmt, aber du bist deswegen noch lange nicht immer schüchtern“
  • Wir schreiben Kindern mit einem eher aufbrausenden Temperament auch mal anderes Verhalten zu, statt „Jetzt reg dich nicht schon wieder so auf!“ versuchen wir es mal mit „Schau, jetzt haben wir uns viel kürzer geärgert als gestern, du hast dich viel schneller wieder beruhigt“ „Hey, das Hauen auf das Kissen hat dir geholfen, sehe ich, schau mal, wie gut du deine Wut heute loslassen konntest!“
  • Wir benennen Veränderungen: „Hey, am ersten Tag im Kindergarten, da warst du so leise und heute am ersten Schultag erlebe ich dich ganz anders!“
  • Wir holen die Kinder aus ihren eigenen Rollen, wenn das Kind sagt: „Ach, ich bin so tollpatschig!“ dann erinnern wir es daran: „Ja, jetzt gerade war das so, aber gestern, weißt du noch, wie achtsam du da den Faden eingefädelt hast? Man hat immer mal solche und solche Tage.“
  • Wir achten auf unsere Sprache, wir sagen nicht „Unsere Ordentliche, Langsame, Laute“, sondern wir sagen: „Heute / jetzt gerade bist du ordentlich, langsam, laut“
  • Wir geben den Kindern Aufgaben jenseits der Etikette, fragen zum Beispiel nicht das ordentliche, sondern das wilde Kind mal, wie es die Gewürze in der Küche sortieren würde

Die Wirkung dieser Worte ist magisch. Sie zeigen den Kindern, dass jeder verschiedene Eigenschaften haben kann, dass ihre Persönlichkeit so viele schillernde, schöne Farben hat und dass alles seinen Platz hat. Diese Worte öffnen die Perspektive für Veränderung – und ich habe selbst schon gesehen, was es besonders mit wilden, temperamentvollen, leicht aufbrausenden Kindern macht, wenn ich sie immer wieder darauf hinweise, wann sie auch ganz ruhig und cool sind und damit diese Seite in ihnen stärke. 

Es geht dabei nicht darum, die Persönlichkeiten der Kinder in eine bestimmte Richtung zu formen. Es geht darum, Kindern das breite Spektrum ihrer  Persönlichkeit zu erhalten. Auch wenn es für uns nicht immer angenehm ist, wenn die sonst so ruhige kleine Schwester auch mal anfängt zu meckern. 

Und wenn wir schon 100x „Du bist doch unsere Große“ gesagt haben? Macht nichts. Wir fangen jeden Tag neu an. Kinder sind unfassbar nachsichtig und lernfähig. Wenn wir anfangen uns zu verändern, gehen sie in der Regel freudig mit!

Mehr in meinem neuen Buch: Nicola Schmidt, Geschwister als Team, Kösel-Verlag.

Geschwister als Team - das andere Geschwisterbuch von Nicola Schmidt
Geschwister als Team – das andere Geschwisterbuch von Nicola Schmidt

Mama-Tochter-Geheimcode

Das Jahr 2013 ist gefühlt an mir vorbeigerast. Trotz vieler schöner und zauberhafter Momente mit dem Babysohn, hatte ich immer wieder den schalen Beigeschmack: Kommt meine Große (5 Jahre) zu kurz?! Ich war und bin viel mit dem Babysohn im Dauerkörperkontakt – Stillen, Tragen und Betuddeln. Und sie? Sie stand oft einfach daneben, lief daneben her. Es tat mir weh. So entstand irgendwann im letzten Frühjahr ganz spontan unser Geheimcode für unterwegs und sonstige Gelegenheiten…

Durch das Tragen hatte und habe ich eh meistens meine Hände frei und dadurch die Große oft unterwegs an der Hand, somit ergab sich das simple Händedrücken. Wir fingen mit kleinen Zahlen an, und recht schnell hatten wir unser „Morsealphabet“ zusammen.

Hier ist eine kleine Auswahl von uns:

Einmal drücken: Langsam.
Zweimal drücken: Komm schnell!
Dreimal…
Viermal…
Fünfmal… Hab Dich sehr lieb!

Acht… Gute Nacht!

Zehn… Willst Du mit mir gehen?
Elf… Ja.
Zwölf… Nein.

Gerade nach stressigen oder doof gelaufenen Situationen ist mir unsere kleine Kommunikationsweise Gold wert. Ich fange an zu drücken, sie zählt mit. Und wenn dann zum Beispiel nach fünfmaligen Drücken meinerseits ein Strahlen auf ihrem Gesicht erscheint, ist es einfach unbezahlbar. Auch sie „morst“ mir hin und wieder etwas zu.

Und ganz wichtig: es ist nur ein Mama-Tochter-Ding. Es ist UNSER!

EDIT: Das JA und NEIN ist bewusst weiter hinten, damit wir Zeit zur Entscheidungsfindung haben. 😉