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Montags-Mantra: Ausprobieren ist erlaubt!

In meinen Beratungen höre ich immer wieder Eltern, die mir sagen: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir anders glücklicher wären, aber ich weiß nicht… wenn das dann schief geht…“

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Windelfrei – viele fangen gar nicht erst an, weil sie sich fragen, ob das gehen kann.
Stillen – Stillen überhaupt, weniger stillen, mehr stillen, viel weniger stillen, nachts nicht mehr stillen – so oft höre ich, dass Eltern etwas verändern wollen, aber immer ist da diese Frage: Darf ich das? Was ist, wenn es schief geht?
Tragen – darf ich mein Kind schon früh tragen? Darf ich es viel tragen? Darf ich…?
Schlafen – wie schaffe ich es, dass wir alle gut schlafen? Wer schläft wo und wann?

Und dann verharren die Familien in Konstellationen, die ihnen nicht gut tun, die nicht selten die Mütter (oder Väter) unzufrieden, unleidig und genervt, überfordert oder unterschwellig ständig unzufrieden zurücklassen.
Aber das ist dann auch für die Kinder nicht mehr gut!

In all diesen Fragen kann eine Beratung natürlich viel helfen.

Die größte Hilfe ist jedoch immer noch, wenn ihr den Mut habt, eine Veränderung erstmal auszuprobieren!

Ausprobieren ist erlaubt! Es geht nicht gleich alles kaputt!

Ihr dürft eure Kinder mal abhalten und mal nicht, um auszuprobieren, ob windelfrei für euch passt. Und wenn ihr feststellt, dass es zu Hause/draußen gut passt, sonst aber nicht – prima! Teilzeit-Windelfrei funktioniert? Prima! Dann macht es so!

Ihr dürft einem 18 Monate alten Kinder durchaus sagen, dass ihr nachts nicht mehr alle Stunde stillen wollt, weil ihr Schlaf braucht. Und ihr dürft klar machen, dass ein gutes Abendessen allen hilft, eine gute Nacht zu haben.

Ihr dürft eure Kinder von Anfang an tragen – im Tuch, in der Trage, auf dem Arm, sogar unterm Pulli! Alles, was sich gut anfühlt und sicher ist (das Kind muss atmen können, nutzt euren gesunden Menschenverstand), ist erlaubt. Und wenn es dem Baby nicht gefällt, wird das Baby das melden.

Ihr dürft eure Babys und eure Kinder zu euch ins sichere Familienbett nehmen. Ihr dürft gemeinsam schlafen, getrennt, Papa beim Baby, Mama beim Baby, abwechselnd – was immer zu euch passt.

Und vor allem: Ihr dürft alle diese Dinge ausprobieren. Eure Kinder sagen euch, wenn sie etwas nicht mögen oder nicht vertragen. Folgende Anzeichen deuten daraufhin, dass hier etwas schief läuft:

Babys weinen, sind quengelig, schreien, schlafen schlecht oder trinken schlecht (Obacht: Im Zahnungsalter kann da auch auf Zahnen hinweisen, genau hingucken!), im schlimmsten Fall weichen sie Interaktionen oder Augenkontakt aus
Kleinkinder werden unleidig, trotzig, unkooperativ, anhänglich, extrem leise oder empfindlich, ängstlich
Schulkinder werden ebenfalls unkooperativ, zornig oder leise, zurückgezogen, still

Bei all diesen Anzeichen gilt es, unseren Alltag, unseren Ton oder unseren Umgang miteinander zu überdenken. Und dann umzuschwenken wo es nötig ist und neue Wege zu suchen – und gegebenenfalls auszuprobieren.

Was habt ihr schon ausprobiert? Schreibt uns auf Facebook!
Ich wünsche allen einen guten Mut für die Woche!

Montags-Mantra: Lies Bücher, die Dir gut tun!

Als ich noch gestillt habe, bin ich bei jeder Tagesschau in Tränen ausgebrochen, weil ich so viele schlechte Nachrichten einfach nicht verkraften konnte. Ich habe aus dieser Zeit eines gelernt: Schlechte Nachrichten kosten mich unglaublich viel Kraft, besonders, wenn es etwas ist, an dem ich absolut nichts ändern kann (oder es so empfinde). Da ich aber meine Energie gut einsetzen und etwas bewirken will, heißt es für mich: Konzentriere dich auf das Gute, das Dir Kraft gibt! Und auf das, was Du ändern kannst!

Von Berufs wegen bin ich informiert, was grundsätzlich los ist und schaue auch tagsüber in die Welt hinaus, die jenseits meines Tragetuches liegt. Allerdings wirklich, wirklich ernsthaft erst wieder, seit ich nicht mehr stille – vorher ging das einfach nicht. Besonders abends bin ich immer noch zartbesaitet, was meine Kapazitäten angeht, mir die Probleme der Welt anzusehen.

Daher gilt noch heute für mich: ich nehme keine Bücher über den Weltuntergang oder das Scheitern des Abendlandes mit ins Bett. In meiner „privaten“ Zone gibt es nur eines: Bücher, die mir gut tun!

Blogpostbücher

Und ich finde, dass besonders in so anstrengenden Zeiten wir dem ersten Jahren mit einem kleinen Kind energiefressende, negative Schlagzeilen über Dinge, die wir gerade jetzt, gerade hier ohnehin nicht ändern können, absolut nichts zu tun haben. Daher habe ich ein Mantra für die Frage: Welches Buch sollte ich mal lesen? Meine Antwort: Bücher, die Dir guttunhref=“http://www.juliadibbern.de“>Julia Dibbern, die im Anahita-Verlag diesen Slogan geprägt hat und eine Menge solcher Bücher schreibt!)

Neben meinem Bett liegen deshalb:

– Kinderbücher wie von Michael Ende „Momo“, „Die unendliche Geschichte“, fast alles von Astrid Lindgren
– Erwachsenenbücher wie Die Neuerfindung des Erfolgs, das How-To Simplify your life und das Beziehungskracher Undefended Love.
– außerdem eine Flasche Wasser und – nichts.

Nichtstun ist nämlich total wichtig.
Oder Bücher lesen. Aber vor allem Bücher, die Dir gut tun.

Was lest ihr?

🙂
Gruss zum Montag,
Nicola

Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Punkt!

Jamie Oliver bestraft seine Tochter mit Chili, „weil sie frech war“. Der Chili-Gate geht durch die Medien. Oliver will Kindern gutes Essen nahe bringen und straft – hinterhältig und geplant wegen einer „Frechheit“ – sein Kind mit Essen?

Scotch_Bonnets

Das geht gar nicht. Das geht absolut gar nicht. Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Und auch wenn es nicht in alle Köpfe geht: das geht!!!

1. Strafen funktionieren nicht, Herr Oliver. Vergessen Sie es. Authentisches Gegenüber funktioniert, auch Konsequenzen („so können wir nicht losfahren, es geht einfach nicht!“) sind verständlich, aber meiner Ansicht nach ist die Strafe an sich ein völlig überholtes, falsches, gewalttätiges, sinnloses Erziehungsmittel.

2. Was Sie getan haben, ist auch aus meiner Sicht Kindesmisshandlung. Sich öffentlich damit zu brüsten, ist nicht nur ein PR-Lapsus – es ist ein erschreckender Blick in die Wirklichkeit unserer Zeit.

3. Aber am meisten schockiert haben mich die Berichterstattungen und Reaktionen in Deutschland – autsch!!

Ich bin heilfroh, dass es Frauen wie Susanne Baller gibt, die auf Stern.de schon vor der großen Empörungswelle schrieb:

„Das ist, gerade bei einem Koch, der genau weiß, was er tut, ein Fall von Kindesmisshandlung.“

Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Punkt! weiterlesen

Montag-Mantra: Fehler sind erlaubt

Immer wieder höre ich von Müttern und Vätern:

„Erzähle mir blooooß nicht, was Du dazu denkst, dann krieg ich immer so ein schlechtes Gewissen, was ich schon alles falsch gemacht habe.“

Und sie sind immer sehr erstaunt, wenn ich antworte:

„Das macht nichts. Man lernt sich halt Stück für Stück kennen. Die Kinder gehen ja nicht gleich kaputt.“

Es ist wie ein Slogan eines befreundeten Projektes sagt: Liebt euch selbst, liebt einander. Fehler sind erlaubt!

Love each other

Eltern sind Menschen. Eltern sind heute stärker gefordert als je zuvor. Deshalb ist es gut, sich hin und wieder zu sagen:

Fehler sind erlaubt.

Aus meiner Sicht ist nur wichtig, dass wir a) uns unseres Verhaltens und seiner Auswirkungen bewusst sind und b) Fehler zugeben.

a) ist der erste Schritt dorthin, Verhalten, das wir selbst an uns nicht mögen, zu ändern
b) ist die Möglichkeit für unsere Kinder, mit unseren Fehlern zu leben, sie als solche – und uns als Menschen – zu erkennen und es selbst ggf. sogar anders zu machen.

Bei Babys ist es wie in der Liebe: Wir lernen erst einander zu verstehen und lernen einander erst kennen. Natürlich interpretieren wir am Anfang vieles falsch oder finden schlicht nicht heraus, was das Kind hat – bei Windelfrei: Ob es jetzt wirklich muss oder nicht. Und das gehört dazu.

Es ist ein gemeinsamer Lernprozess, der zu allen Zeiten zwischen allen Eltern und Kindern stattgefunden hat. Nur, dass andere Kulturen und Zeiten mehr Hilfe hatten. Erfahrungsgemäß merkt meine Mutter drei Mal schneller als ich, wenn mein Kind Hunger hat oder mal muss. Wenn ich mir vorstelle, wie das Leben wäre, wenn ich lauter erfahrene Mütter alltäglich um mich herum gehabt hätte, die viel mehr Erfahrung haben und so viele Fehler schon gemacht haben, die ich nicht mehr machen muss (und was für tolle neue Fehler ich dann hätte wohl machen können ;)).

Und selbst wenn wir es wirklich mal verbockt haben und das Kind Symptome von Stress zeigt: Es gibt fast nichts, was man nicht mit Zuwendung, Liebe und Ruhe wieder gut machen könnte. Also -macht euch nicht verrückt! Macht euch keine Selbstvorwürfe und ärgert euch nicht – vor allem nicht über euch selbst und schon gar nicht über euer Kind. Anstrengende Kinder sind immer Benutzerfehler, aber Stress, Schuld und Selbstvorwürfe machen aus Eltern keine besseren Eltern, sondern gestresstere Eltern. Also dürfen wir uns getrost entspannen und aus dieser Warte anschauen, wo wir Fehler machen, uns sagen: „Fehler sind erlaubt“ und uns dann vornehmen, dass wir es morgen ein einziges Mal besser machen. Nur ein Mal. Das reicht.

Ein Mal am Tag nicht verschlafen, nicht das abhalten verschieben, nicht an der falschen Brust stillen (und dann eine zu volle zweite haben), nicht Tragetuch falsch binden, nicht aufbrausend sein, ruhig und passend reagieren, den Wutanfall des Kleinkindes liebevoll und geduldig begleiten… was immer es ist, freut euch, wenn ihr einen Fehler, den ihr oft macht, einmal nicht gemacht habt. Und lobt euch dafür! Am nächsten Tag wird es garantiert noch besser werden. Das funktioniert viel besser, als sich abends aufzuzählen, wo ich heute schon wieder überall nicht angerufen habe, obwohl so viel zu tun ist. Ich habe EINEN Anruf erledigt, EIN Buch vorgelesen – also prima! Gut gemacht! Weiter so :). Nicht nur unsere Kinder profitieren von positiven Rückmeldungen, auch wir – vor allem in unserem Gedankenkarussel im Kopf!

Mein Lieblingsfehler ist übrigens: Ich bin ungeduldig. Oft. Leider. Immer wieder. Und ich sage mittlerweile: „Es tut mir leid, ich bin total ungeduldig, aber ich habe es jetzt gerade innerlich so eilig, ich finde keine Ruhe, ich will einfach, dass das jetzt fertig wird!“ Und das hilft den Kids. Der Große erinnert mich sogar schon daran: „Mamaaaa… nicht so ungeduldig, du wolltest dich doch bessern!“ Was nett ist – im Gegenzug kann ich nämlich zu ihm sagen, wenn er mich irgendwohin hetzt: „Hm, mein Schatz, jetzt bist Du aber ungeduldig….ja….manchmal ist Geduld so schwer, ich kenne das.“ – und dann grinsen wir beide.

Montags-Mantra: Fasse Dich kurz!

Das Leben mit AP-Kindern – so könnte man meinen – ist eine Aneinanderreihung von erbaulichen Momenten und seliger Glücklichkeit. Nun – zumindest bei uns ist es nicht immer so. Es gibt auch Momente, in denen ich genervt, sauer, gereizt, wütend, müde oder traurig bin. Und dann meckere ich. Doof, ist aber so.

Was ich gelernt habe und was grooooß an meiner Küchentafel steht, ist: Wenn Du schon meckerst oder Dich beschwerst (oder gar belehrst): FASSE DICH KURZ!

Sätze à la: „Wieso liegt der Schulranzen schon wieder mitten im Zimmer? Das nervt! Ich will da weder drüberfallen, noch alles wegräumen! Ich habe Dir schon hundert Mal gesagt, dass ich will, dass hier jeder Verantwortung für seine Dinge übernimmt und sie wegräumt, wenn wir nach Hause kommen. Was ist daran so schwer zu verstehen? Ich finde…“

Vergesst es. Kein Kind hört länger zu als bis „Zimmer“, ganz abgebrühte (und viel angemeckerte) Kinder drehen ab „Warum“ bereits die Ohren ab. Und ich kann sie verstehen. Wie würde es sich anfühlen, wenn uns jemand so angehen würde? Ich würde mich auf dem Absatz umdrehen.

Besonders bei meinem Sohn machen lange Ausführungen absolut keinen Sinn. Auch wenn ich manchmal gerne die gesamte Philosophie von Sinn und Kraft einer Gemeinschaft hinterherschicken würde – er hört es sowieso nicht.

Also habe ich gelernt, mich freundlich und kurz zu halten.

1. Zuerst benenne ich das, was ist, ohne Bewertung: „Der Schulranzen liegt mitten im Zimmer.“

In den allermeisten Fällen ist das vollkommen ausreichend. Sehr effektiv ist auch: „Die Wohnungstür ist noch auf“ – und viel besser als das „Mach die Tür zu!“, was ja schon wieder einen Vorwurf beinhaltet.

2. Wenn das nichts hilft, sage ich klar und kurz, was ich möchte: „Räum bitte den Ranzen weg.“

In 90% der Fälle hilft das jetzt. Allerdings nur, wenn ich mich vorher vergewissert habe, dass ich nicht gerade mit Lego-Yoda um die Aufmerksamkeit meines Sechsjährigen konkurriere (bei uns ist es wie bei Star Wars: Yoda gewinnt immer).

3. Wenn jetzt immer noch nichts passiert, versuche ich erstmal herauszufinden, was beim Kind gerade los ist – oft arbeitet er innerlich an etwas, das seine Kooperationsfähigkeit blockiert. Ist dem nicht so, dann verkünde ich nochmal meine persönliche Dringlichkeit:

„Bitte. Jetzt!“

Genauso gehe ich (in meinem persönlichen Idealfall) vor, wenn mich etwas ärgert, wobei ich a) Du-Botschaften vermeide und b) möglichst sage, was ich will und nicht darüber lamentiere, was ich nicht will.

„Ich will kein Spielzeug am Tisch, ich will essen und mich ohne R2-D2s Geräusche unterhalten.“

Immer wieder erlebe ich – auch bei anderen Kindern – dass lange Vorträge überhaupt keinen Effekt haben, kurze Infos hingegen sehr viel. Vor allem, wenn das Kind genau weiß, was der Punkt ist.
Lustigerweise machen wir das bei kleineren Kindern oft automatisch, wir sagen nicht:

„Ich möchte nicht, dass du an den Herd gehst, du weißt , dass der heiß ist, dass habe ich schon 100 Mal gesagt und ich finde das wirklich nervig, dass ich das immer wieder wiederholen muss und außerdem..“
sondern wir sagen: „Vorsicht! Heiß!“

Es scheint mir – auch bei mir selbst – dass ich mit zunehmender Größe des Kindes auch längere Vorträge halte, was nicht immer sinnvoll ist. Damit soll nicht gesagt sein, dass ich später, wenn der Streit vorbei und der Ärger bei allen abgeklungen ist, mich nicht hinsetze und mit dem Kind bespreche, warum wir uns eigentlich über den doofen Ranzen gestritten haben und was heute los war, dass alles so schwer ist. Aber im Moment selbst führt Kürze bei uns eher zu Verständnis.

Daher ist mein Mantra, besonders beim Großen: Fass Dich kurz!

Puh – hab ich lange gebraucht, um das auszuführen ;)?

Allen eine gute Woche!

AP-Kinder – sozial kompetent oder was?

Ich höre und lese immer wieder, dass AP-Kinder ja soooo selbstständig und sozial kompetent seien. Ist das so?, frage ich mich oft.
Wenn mein Großer (fast 6) seinem besten Freund mit Wucht ein Plastikschwert über den Kopf zieht oder die Kleine (fast 3) ihre beste Freundin begrüßt mit „ich mag dich nicht! du sollst weggehen!!!“ um dann 5 Sekunden später bitterlich zu klagen, dass eben jene Freundin nicht da sei, denke ich oft:

AP hin oder her, WIR jedenfalls sind noch im Schimpansenstadium. Wir können zwar kooperieren, aber wenn die Ressourcen knapp sind, wird gefaucht und gebissen.

Als Antwort auf diese meiner unfreundlichen Primatenthesen habe ich von meiner Tochter am vorigen Wochenende eine Lektion in Sachen „kompetente AP-Kinder“ erhalten.

Mutter steht im Kinderzimmer und baut am Schrank herum. Es war mir nicht bewusst, aber ich muss ziemlich rumgejammert haben, Tenor: „Welcher Mensch hat nur die Schlitzschraube erfunden? Wieso sitzt ausgerechnet diese hier so fest? Verflixt nochmal! Autsch!“

Ich war die personifizierte Opferhaltung der Haushandwerkerin. Könnte ich an meiner miserablen Lage etwas ändern? Keine Ahnung! Ich konnte darüber nicht einmal nachdenken. Ich ärgerte mich zu sehr über die Schrauben der Einlegeböden, die sich nicht lösen ließen, ich identifizierte mich mit diesen festsitzenden Schrauben, ich WAR die bockige Schraube.

Meine Tochter spielte friedlich zu meinen Füßen mit Duplosteinen und hörte mir offensichtlich aufmerksam zu. Plötzlich sagte sie mit ihrer hellen Stimme ruhig, bestimmt und wie nebenbei:

„Mama, Du brauchst einen Akkuschrauber.“

WIE BITTE?

Das Kind ist noch keine Drei.

Ich stammelte: „Äh, ja… gute Idee, aber ich wir haben keinen und ich weiß nicht, ob unsere Nachbarn da sind und eigentlich MUSS das doch auch mit dem Schraubenzieher gehen!“ #opfer #bastlerstolz

Meine Tochter hörte mir noch etwa 2 Minuten bei meiner nächsten Hasstirade gegen den Schraubenfabrikanten zu und erklärte dann:

„Ich schau mal, ob A. (unsere Nachbarin) da ist. Du brauchst einen Akkuschrauber.“

Und da stapfte sie auch schon los, verließ die Wohnung, ging durchs Treppenhaus, klopfte bei unserer Nachbarin und ich hörte sie deutlich sagen:

„Mama braucht einen Akkuschrauber. Kann ich bitte euren ausleihen?“

Sie bekam ihn. Als sie zurückkam, trug sie den schwarzen Akkuschrauberkoffer und lächelte mich freundlich und ohne eine Spur Besserwisserei einfach nur an. Sie hatte – im Gegensatz zu mir – die Situation erkannt, eine Lösung gefunden und diese trotz meiner bockigen Weigerung mal eben so umgesetzt. Als ich mich erholt hatte, packten wir den Schrauber gemeinsam aus, ich hob sie in den Schrank und so war die Arbeit gemeinsam in fünf Minuten erledigt – und machte sogar Spass!

APKindschraubt

Nachdem ich alles wieder eingepackt hatte, schnappte sie sich wortlos den Koffer, stapfte zurück, sagte „Vielen Dank, wir sind fertig“ und erklärte beim Wiedereintritt in unsere Wohnung: „So, Mama und JETZT spielen wir!“.

Ja, mein Schatz, selbstverständlich, jetzt spielen wir.

Sind AP-Kinder nun selbstständiger oder sozial kompetenter? Ich habe immer noch keine Ahnung. Aber seit Samstag habe ich ein Gefühl dafür, was das heißen könnte.

Montagsmantra: Zeit statt Druck

Putzen und Erziehen sind eins. Wieso? Weil in beiden Bereichen meist Schäden bleiben, wenn wir mit zuviel Druck arbeiten (und anstrengend ist es sowieso). Wenn Erziehung anstrengend ist, läuft meistens etwas nicht rund. Und es sind in 99% der Fälle Benutzerfehler!

Gerade habe ich einen Artikel über „Wellness-Putzen“ gelesen. Mir ist eine Passage besonders im Gedächtnis geblieben: Wenn wir Verkrustungen am Herd haben, rücken viele meistens mit einem starken Reiniger und einem Schwamm mit Kratz-Oberseite oder gleich dem Topfkratzer an, richtig? Und dann mit viiiiiel Druck solange geschrubbt, bis uns die Hand weh tut, wir schwitzen und wir feststellen, dass Putzen anstrengend ist und wirklich keinen Spass macht.

Statt das Zeug einfach mal einen halben Tag einzuweichen. Und dann mit einem galanten Schwung sanft abzulösen.

In der Erziehung schon der Kleinsten sehen wir häufig ähnliches Verhalten: Montagsmantra: Zeit statt Druck weiterlesen

Fremdbetreuung aus evolutionsbiologischer Sicht

Herbert Renz-Polster hat sich in dem Interview „Die neue Kinderarmut: Ist unsere Gesellschaft in Gefahr?“ von SpielundZukunft.de zur artgerechten Betreuung kleiner Kinder geäußert:

[…] Für die Betreuung ihrer Kinder stützten sich Mütter schon immer auf ein Netz von Helfern. Fest steht: Fremdbetreuung ist nicht etwa gegen die menschliche Natur. Denn rund um den Globus entwickeln Babys ihr Urvertrauen, auch wenn sie nicht ausschließlich von einer, sondern von mehreren Bezugspersonen versorgt werden. Viel interessanter ist aus evolutionärer Sicht eine andere Frage, nämlich die nach der Qualität der Betreuung. Denn im ursprünglichen Lebenskontext der Menschen wurden kleine Kinder immer schon von vertrauten, in das soziale System der Eltern eingebundenen Menschen betreut. Das ergab sich ja schon aus der kleinen Gruppengröße von Jäger- und Sammlergemeinschaften. Man kannte sich, war in ein gemeinsames Netz eingebunden. Die „Fremdbetreuung“ fand in einem räumlich und personell vertrauten Umfeld statt. […]

Seine Lösung für unsere heutige Zeit sieht wie folgt aus:

Kleine Kinder brauchen erstens möglichst verlässliche und stabile Verhältnisse und feste Bezugspersonen. […] Zweitens führte Fremdbetreuung im evolutionären Modell das kleine Kind nicht in eine fremde Welt. Vielmehr kümmerten sich vertraute Personen an einem vertrauten Ort um das Kind. Das lässt sich auch heute schaffen – allerdings nur mit einer langen Eingewöhnungsphase, während der die neuen Bezüge wachsen können. Im Gegensatz zu den Forderungen mancher Bildungspolitiker brauchen Krippen drittens auch kein Personal, das an Universitäten ausgebildet wurde. Viel wichtiger sind erfahrene, kompetente, liebevolle und möglichst verlässlich verfügbare Betreuungspersonen. Viertens sieht das evolutionäre Betreuungsarrangement vor, dass Mütter ihr Kind bei der Arbeit möglichst weitgehend und flexibel bei sich haben können. Das ist das Ur-Modell der Babybetreuung. […]
Last but not least: Die Mutter entscheidet – nicht  irgendwelche Krippen-Skeptiker (die ja meist Männer sind und denen ihr Beruf über alles geht). Es gibt Kinder, die von ihrem Naturell her nicht so gut in einer Krippe zurechtkommen und vielleicht bei einer Tagesmutter besser aufgehoben sind. Und umgekehrt sind manche Kinder in einer gut geführten Krippe besser dran. Eltern wissen am besten, was ihrem Kind und auch ihnen selber gut tut. Wichtig ist auch, dass die Mutter selbst hinter ihrer Entscheidung steht. Denn nur zufriedene Mütter haben zufriedene Kinder.

Lies auch hier:
Fremdbetreuung: Jedes Kind ist anders
Jesper Juul und KiTa

Eltern als Anwälte für die Gesundheit ihrer Kinder

Als ich am Anfang dieses Jahres als Studentin in der Kinderklinik für 4 Monate mein Wissen praktisch vertiefen durfte, war ich oft erstaunt, warum Eltern mit ihrem kranken Kind häufig direkt in die Rettungsstelle kommen und zum Teil auch aufgenommen werden. Dabei handelte es sich nicht selten in meinen Augen um „banale“ Erkrankungen, mit denen ich mit meiner Tochter nicht in die stationäre Behandlung gegangen wäre. Ein Oberarzt erklärte mir die Misere folgerndermaßen: Heutzutage leben viele Eltern mit ihrem Kind isoliert in Kleinstfamilien und oft auch noch fernab von den Großeltern und Tanten. Somit fehlt ihnen zum einen die Erfahrung mit kranken Kindern und zum anderen die erfahrene und beratende Oma an ihrer Seite, um die Krankheit des Kindes besser einzuschätzen. Dieser Umstand macht Eltern hilflos und überfordert, wenn ihr Kind fiebernd in ihren Armen liegt.

Genau dort greift das Buch von Herbert Renz-Polster, Nicole Menche und Arne Schäffler ein:

Gesundheit für Kinder: Kinderkrankheiten verhüten, erkennen, behandeln: Moderne Medizin – Naturheilverfahren – Selbsthilfe

Es ersetzt zwar nicht das kompetente soziale Netz, aber es ist meiner Meinung nach ein sehr gutes Nachschlagewerk für Eltern, welches Kindergesundheit im Allgemeinen sowie Schul- und Komplementärmedizin recht unkompliziert beschreibt und Eltern anregt Experten für ihr eigenes Kind zu werden, damit es gesund aufwachsen kann. Nebenbei erinnert es zwischen den Zeilen sehr an „Kinder verstehen“ von Renz-Polster.

Auszüge aus dem Buch findet man auch online unter: Gesundheit für Kinder.

P.S.: In knapp 6 Wochen ist Weihnachten. Vielleicht wäre das Buch vielleicht ein Geschenk, welches unterm Weihnachtsbaum liegen könnte?
P.P.S.: Ich habe dieses Buch auch schon mal als Geschenk zur Geburt mitgebracht.