Kaum ein anderer ist wohl so oft in den heimischen Familienbücherregalen vertreten wie der Schweizer Kinderarzt Remo H. Largo. Sein Longseller „Babyjahre“ führt unangefochten die Eltern-Kinder-Ratgeber-Bestsellerliste an.
Ich habe beim Aufräumen – Neustrukturieren – meines Bücherregals mein Exemplar wieder entdeckt (17. Auflage Mai 2008 der aktualisierten Taschenbuchausgabe 2001). Ich hatte es mir in der ersten Babyzeit meiner Tochter gekauft. Aber ich muss zugeben: ich hatte es nur rudimentär gelesen. Ich fand es langweilig, wenn auch so einige spannende Fakten drin stehen.
Jetzt hatte ich „Babyjahre“ wieder in der Hand und habe das Kapitel „Trocken und sauber werden“ (Seite 471 ff.) aufgeschlagen…
Largo erwähnt windelfreies Aufziehen „in Afrika und in vielen anderen Ländern dieser Welt“ und dass die Natur den Mechanismus entwickelt hat, dass Säuglinge sich einige Sekunden vor der Urin-/Stuhlausscheidung bemerkbar machen. Nur unsere Kinder verlieren das Verhalten, weil wir nicht darauf reagieren (Duché 1973).
Danach beschreibt er die Entwicklung der „Sauberkeitserziehung“ ab den 1950er Jahren: ein Weg weg vom frühen Abhalten über Windeln, Topf oder Toilette in den ersten Lebensmonaten hin zum Hinausschieben der „Sauberkeitserziehung“ dank Waschmaschine und Wegwerfwindeln. Mittels der Züricher Longitudinalstudie (1996) kommt er zu dem Schluss, „dass der riesige Aufwand, den die Großeltern in der Sauberkeitserziehung geleistet haben, nicht den erhofften Erfolg zeigte“ – Kinder sind nicht früher sauber und trocken geworden als heute.
Largo steht hinter dem weit verbreiteten Konzept, dass die Blasen- und Darmwahrnehmung sowie -kontrolle einen Reifungsprozess braucht, welche durch die kindliche Eigeninitiative zwischen dem ersten und dritten Geburtstag angezeigt wird. Er empfiehlt auf die Eigeninitiative des Kindes zu warten und diese durch Vorbildfunktion (offene Toilettentüren) und mit einfacher Kleidung zum selbstständigen An- und Ausziehen zu unterstützen.
Wer die neueste Ausgabe zu Hause hat, wird trotz Überarbeitung 2010 keinen neuen Text in diesem Kapitel finden. Das finde ich sehr schade. Denn die Wissenschaft dreht sich weiter und man kann sich nicht nur auf zwei Quellen berufen.
Mein Fazit: Ein guter Start in den Abschnitt „Trocken und sauber werden“, aber eine überarbeitungswürdige wissenschaftliche Darstellung der Thematik und die daraus folgenden Schlussfolgerungen.