Schreibaby?!

Heute zitiere ich mal einen kurzen Artikel aus der MMW – Fortschritte der Medizin 2012/2:

Satt und frisch gewickelt – Warum brüllt das Baby stundenlang?

(MMW – Fortschritte der Medizin 2012/2: 26-27)

Dieser Artikel basiert auf einer Veröffentlichung aus dem British Medical Journal (Douglas P., Hill P. Managing infants who cry excessively in the first few months of life. BMJ 2011;343:1265–1269).

Wie viel Gebrüll ist normal?

Eine Metaanalyse ergab: Gesunde Säuglinge schreien in den ersten sechs Lebenswochen täglich durchschnittlich 110–118 Minuten. Im Alter von zehn bis zwölf Wochen reduziert sich das Konzert auf 72 Minuten. Mit der neuronalen Reifung kehrt bis zum Alter von fünf Monaten zunehmend Beruhigung ein. 5% der Kinder behalten die Familienbeschallung allerdings noch länger bei.

Was kann man dagegen tun?

Zehn Schritte zur Entspannung für Eltern und Kind
1. Anamnese einschließlich Ernährung und perinatalem Verlauf; gründliche körperliche Untersuchung.
2. Aufklärung: Die Eltern sind nicht schuld, die Situation ist nur vorübergehend, Hilfe ist möglich.
3. Fütterprobleme evaluieren, ggf. einen Ernährungsexperten hinzuziehen.
4. Psychosoziale Risikofaktoren abschätzen: Mütterliche Depression? Gefahr für das Kind durch impulsiv reagierende Eltern? Ggf. Überweisung an Experten.
5. Ermutigung: Baby nach Bedarf füttern, mit im Elternschlafzimmer schlafen lassen, viel Körper- bzw. Hautkontakt, verschiedene altersgerechte Sinnesreize.
6. Bei Hinweisen auf Kuhmilchallergie oder Wirkungslosigkeit o. g. Strategien: Verzicht der Mutter über zwei Wochen auf Milchprodukte, um Vermutung zu bestätigen, stark hydrolysierte Milchnahrung für Flaschenkinder.
7. Mit Eltern, die leicht die Beherrschung verlieren, „kindersichere“ Strategie besprechen.
8. Manchmal helfen Babymassage oder Wrapping.
9. Auf Hilfsangebote und Informationsmöglichkeiten hinweisen.
10. Engmaschig kontrollieren.

… und das Beste aus dem Artikel…

Studien haben die Vorteile des Stillens nach den Bedürfnissen des Kindes belegt. Im Vergleich zu Kindern, die nach Plan gestillt wurden, reduzierte sich beim individuellen Füttern die Schreizeit auf die Hälfte, wenn die Kinder zusätzlich ca. zehn von 24 Stunden Körperkontakt hatten.

Happy Cuddling! (… doch denk auch an Dich und lass Dir helfen!!!)

5 Gedanken zu „Schreibaby?!

  1. „Konzert“?
    „Familienbeschallung“?
    Da hat das jemand noch nicht selber erlebt. Sonst würde er das ernster nehmen – Hofft man.
    So ein Kleines schreit schließlich nicht aus Spaß.

  2. Was für eine fundamentale Erkenntnis: artgerecht aufgezogene Kinder sind weniger unglücklich als nicht artgerecht gehaltene. – Soll auch bei Hühnern und Kühen schon beobachtet worden sein. Ein Hoch auf die Wissenschaft, die für solche Erkenntnisse Studien durchführen und Forschungsgelder verwenden muss. *ggg*

  3. Ein Durchschnitt von 110-118 Minuten für gesunde Babys wird als normal angesehen? Fast 2 Stunden täglich? Das kommt mir doch sehr viel vor. Das macht meiner nicht mal jetzt mit 18 Monaten wo er zahnt und mehrere Wutanfälle am Tag hat, weil er lernen muss mit Enttäuschungen umzugehen. Wenn ein gesundes Baby schreit (also nicht eins mit Koliken, oder anderen ernst zu nehmenden Problemen, oder vielleicht von der Geburt traumatisiert ist), nimmt man es hoch und dann ist es ruhig. Hat man was zu tun, trägt man’s im Tagebuch. Hat das Baby Hunger, stillt man es, aber da muss man ja nicht warten, bis es schreit. Der Durchschnitt kommt mir sehr hoch vor. Wenn er jedoch auf Daten aus Großbritannien basiert, enthält er natürlich auch all die Flaschenkinder, die hier leider zur Normalität gehören http://www.ic.nhs.uk/statistics-and-data-collections/health-and-lifestyles-related-surveys/infant-feeding-survey/infant-feeding-survey-2010-early-results, die erstmal eine Weile schreien müssen, bis ihre Eltern eine Flasche zubereitet haben. Das könnte die hohe Zahl zum Teil erklären.
    Auch habe ich oft den Eindruck, dass von Babys erwartet wird, dass sie still am Nuckel saugend in Ihrem Stubenwagen liegen. Das das ein normales Baby so macht. Irgendwie wird immer gleich vermutet mit dem Kind sei etwas nicht in Ordnung, wenn es sich meldet. Und wenn man’s rausnimmt, ist es still (welch Überraschung), legt man’s wieder zurück, schreit es wieder. Dass Babys einfach nah zur Mutter gehören, scheinen viele Eltern nicht zu wissen. Aber als Deutsche wird man als Exot angesehen, da stoßen Hinweise meist auf taube Ohren. Schade. Tut mir immer so leid um die kleinen Würmchen, die doch noch nur ihre Mama wollen.

  4. @ Fanny: weil es mir hier im Blog schon häufiger aufgefallen ist, muss ich an dieser Stelle mal ergänzen:

    „Dass Babys einfach nah zur Mutter gehören, scheinen viele Eltern nicht zu wissen.“ – und zum Vater
    „Tut mir immer so leid um die kleinen Würmchen, die doch noch nur ihre Mama wollen.“ – und ihren Papa

    Nimm es bitte nicht persönlich, ich bin nur grad mal wieder darüber gestolpert, dass die Väter hier so unsichtbar (überflüssig?) sind.

  5. @fanny
    „Wenn ein gesundes Baby schreit (also nicht eins mit Koliken, oder anderen ernst zu nehmenden Problemen, oder vielleicht von der Geburt traumatisiert ist), nimmt man es hoch und dann ist es ruhig.“
    das stimmt so leider nicht und da werden mir einige AP-,CC-, usw -eltern zustimmen können.
    manche kinder schreien, schreien, schreien.
    ob 24/7 im tuch, beim tragen auf dem arm, beim singen, in ruhelage. sie wollen weder die brust, noch einen schnuller. schlafen im familienbett, werden bedarfsorientiert gestillt usw usf..
    nicola hatte hier mal einen artikel „AP funktioniert einfach nicht“.

    mein sohn hat mich sein erstes halbes lebensjahr sehr an eine zornige wespe erinnert, immer gefährlich brummend, kurz vor der explosion.
    für nur 2 stunden schreien am tag wäre ich sehr dankbar gewesen 😉

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