24 Monate Attachment Parenting – Bilanz

Zeit, mal wieder Zwischenbilanz zu ziehen – nach der Bilanz nach 14 Monaten und der Bilanz nach 18 Monaten nun meine Bilanz nach 24 Monaten Attachment Parenting im Allgemeinen und Windelfrei sowie Unerzogen im Besonderen. Wie sich AP auswirkt bei den Themen: Stillen, Tragen, Familienbett, Gleichwürdigkeit, Essen, Windelfrei, Teilen und Spielzeug.

1. Stillen:

Das Kind stillt noch und es ist für alle eher eine Erleichterung als eine Last. Wenn ich partout mal keine Lust habe, kann ich ihn sehr leicht ablenken oder bitten, einfach zu warten. Ein paar Mal habe ich schon probiert, ob ich es verschiebe und er es dann vergisst. Aber das tut er nie – wenn ichs versprochen habe, muss ich es auch halten. Da ist es dann ggf. besser, ihm zu erklären, dass wir abends erst wieder stillen oder zu Hause. Er wird noch häufig in den Schlaf gestillt, schläft aber auch prima z.B. im Auto einfach so ein. Ist er tagsüber bei einer anderen Betreuungsperson, hält er ohne Kommentar auch locker den ganzen Tag ohne Stillen aus.

2. Tragen:

Ich trage ihn so gut wie gar nicht mehr in der Tragehilfe, nur noch manchmal huckepack in der Manduca, wenn wir z.B. reisen. Wir benutzen aber auch keinen Kinderwagen. Das Kind kann laufen – und läuft. Wenn er zu müde ist, nehme ich ihn huckepack oder auch mal auf die Hüfte. Letzteres versuche ich zu vermeiden, da es meinem Rücken nicht guttut, dafür ist er langsam zu schwer. Aber er ist das Laufen gewöhnt und läuft problemlos z.B. die 20 Minuten bis zum Spielplatz. Für längere Strecken nehmen wir das Fahrrad, die öffentlichen Verkehrsmittel, die Bahn, das Auto – oder (oh, wie un-pc!) das Flugzeug.

3. Co-Sleeping/Familienbett:

Wir schlafen alle immer noch im Familienbett, mit Modifikationen je nach Bedürfnissen der Teilnehmer. Wenn alle kuscheln wollen, schläft er zwischen uns. Brauche ich eher Platz und Ruhe, schläft er auf einer Kindermatratze, die direkt neben unserem Bett liegt (unsere liegt ebenerdig). Dort schläft er durchaus auch mal bis um fünf morgens durch. Liegt er neben mir, will er mindestens ein Mal stillen, je unruhiger ich schlafe, desto öfter. Ein Problem, das ich noch nicht gelöst habe: Er kühlt nachts aus, weil er ohne Schlafsack und Decke schläft. Auch Hose und Wollsocken helfen nicht. Daher nehme ich ihn meistens gegen morgen zu uns, wenn er auf seiner Matratze geschlafen hat, allein schon, um ihn zu wärmen. Und es ist einfach unbeschreiblich schön, morgens in das verschlafene Gesicht meines Kindes zu sehen, das noch die Ausläufer seiner Träume erzählt („Mama, sooo grooooßer Bagger!“)

4. Gleichwürdigkeit:

„Teilen“ ist im zweiten Jahr offensichtlich das große Thema. Zum Glück habe ich bei meiner Recherche für den SZ-Artikel „Richtig loben von Kindern“ gehört, dass man Kinder nicht fürs Teilen loben und sie auch nicht dazu zwingen soll. Sondern dass es mehr bringt, ihnen zu sagen, „Hey, Du bist ein freigiebiger Mensch“. Bei uns geht das gut. Wir haben verschiedene Phasen hinter uns. Phase 1: Er weint, wenn ihm jemand etwas wegnimmt. Phase 2: Er nimmt anderen etwas weg. Phase 3: Er hat gelernt, dass er Dinge „tauschen“ kann, wenn er etwas haben möchte (wenn er den blauen Bagger haben möchte, vielleicht möchte das Mädchen dann mit dem roten Laster spielen?). Das klappt erstaunlich gut.

Ich zwinge ihn nie, etwas herzugeben, das er nicht hergeben möchte. Ich bin jedoch nicht einverstanden, wenn er anderen Kindern Dinge aus der Hand reißt und stoppe ihn. Für mich herrscht da der Grundsatz: Was Du nicht willst… ich reiße ihm nichts weg, ich erkläre ihm aber auch, dass er anderen nichts wegreißen soll. Und ich erkläre ihm, wenn ein Kind weint und das mit seiner Aktion zu tun hatte. Mittlerweile kommentiert er das schon selbst und gibt die Sachen dann oft nach ein paar Sekunden von selbst dem Kind zurück oder bietet etwas anderes an.

Was mir wichtig erscheint: Obwohl wir nicht – wie viele andere Eltern um uns herum – Teilen beloben und erzwingen („jetzt gib den Bagger sofort ab!“ „Klar, sie können ihren Bagger nehmen, das macht ihr nichts!“), sondern ihn selbst fragen, seine Entscheidungen respektieren und gemeinsam nach alternativen Lösungen suchen, entwickelt er sich zu einem sozialen Wesen. Und das – man höre und staune – obwohl er noch nicht in die Kita geht. Letztens hörte ich erst wieder auf dem Spielplatz: „Ach, der teilt aber schön, jaja, das lernen sie in der Kita.“ Vielleicht. Aber nicht nur dort. Und nicht mit Gewalt.

Ich will hier auch nicht so tun, als sei er eine kleine Mutter Theresa. Es gibt Lieblingsspielzeuge, die werden schlicht nicht oder nur sehr selten geteilt. Der Siku-Bagger z.B.

Siku Raupenbagger

Es gibt Tage und Momente, da will er am liebsten alle seine Sachen verstecken. Aber meistens finden wir einen Weg oder er findet sogar selbst einen, um das andere Kind nicht total zu frustrieren. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ich würde auch nicht jedem dahergelaufenen Menschen auf dem Spielplatz meinen Mac oder mein Lieblingsbuch überlassen!

5. Essen

Er isst. Mal mehr, mal weniger, mal neugieriger, mal konservativer. Auch hier kein Zwang, nur Vorbild: Wir essen Salat und Gemüse und wenn er drei Tage lang nur die Kartoffeln will – bitteschön. Heute z.B. erste Versuche mit grünem Salat. Und Fisch ist hoch im Kurs, „Dummedärchen“ auch. Da er beim Kochen immer im Sling saß, kann er schon ganz ausdauernd Eischnee schlagen, Teig kneten, Nudeln ins Wasser kippen, rühren. Er kocht entweder mit mir oder in seiner Küche, während ich koche (s.u.)

IKEA-Küche

6. Windelfrei:

Kind ist weitgehend trocken. Wenn er sich nicht abhalten lässt, bitte ich ihn freundlich „Geh doch mal auf deinen Topf, bitte“ und wenn er muss, erledigt er es dort. Seit ich letztens wegen eines Hexenschusses (jaja, der Umzug ins Büro, der Bisley war schweeer) nicht gut Abhalten konnte, klettert er alleine auf die große Toilette, hockt sich drauf, achtet darauf, dass er nichts auf die Brille kleckert und erledigt seine Sachen. Großes Kino. Wir haben aber auch immer mal wieder ne nasse Hose und meistens Wechselklamotten dabei *freuaufdensommer*.

7. Spielzeug

Wir fahren sehr gut mit dem Rat des Arbeitsausschusses Kinderspiel und Spielzeug SPIELGUT: Lieber ein Spielzeug mit viel Zubehör als viele Einzelspielzeuge. Die derzeitigen Favoriten unseres Sohnes: Eine Reihe sehr belastbarer Bagger und Laster von SIKU (die zusammen eine Baustelle ergeben und gerade hoch im Kurs sind), die IKEA- Spielküche (mit Töpfen, Besteck, Geschirr und vielen trockenen Nudeln und Bohnen, wird jeden Tag bespielt, vorher hatte ich einen Karton als Herd bemalt, das ging auch), meine alte Brio-Holzeisenbahn (mit verschiedenen Loks, Bäumen, Häuser), DUPLO-Bausteine(n, aus der Mülltonne gefischt und gemeinsam in der Wanne sauber gewaschen) sowie eine Reihe von Büchern. Alles andere, was bei uns so rumfliegt (ist glücklicherweise nicht viel), ist eigentlich totale Platzverschwendung. Er spielt schlicht nicht damit. Übrigens auch so gut wie gar nicht mit Kuscheltieren. Manchmal trägt er meine Kinderpuppe herum und stillt sie, aber das ist vielleicht ein Mal pro Woche der Fall.

Am tollsten ist es eigentlich, draußen zu sein, Schnecken zu sammeln oder mit Mama und Papa im Garten zu sägen, Erde zu schaufeln, zu fegen, zu harken oder zu säen. Auch dafür haben wir ein komplettes Set Gartengeräte in Kindergröße angeschafft. Es ist jeden Euro wert.

Gartenwerkzeug

Für destruktive Anwandlungen haben wir eine „Werkbank“ für Kinder, so ein Mini-Ding aus Holz, das sich einfach sehr gut eignet, um einem mit dem Messer am Tisch sägen wollenden Kleinkind zu sagen: „Du willst sägen, okay, mach das doch bitte dort an der Werkbank“. Dort kann er ach hämmern und mit dem Schraubenzieher draufdonnern, ohne dass etwas kaputt geht. Und dann ist es meist auch gleich wieder vorbei und uninteressant :).

Bilanz:

Entspannt. Gewaltfrei. Glücklich. Anders kann ich es nicht sagen. Wir zwingen ihn weder zum Essen, noch ins Auto noch zu Teilen und dennoch ist das alles überhaupt kein Problem, sondern hat sich einfach von selbst eingependelt. Ich bin total begeistert. Und kann wieder sagen: Für uns war und ist AP das richtige Paket.

5 Gedanken zu „24 Monate Attachment Parenting – Bilanz

  1. Liebe Nicola,

    tolle Bilanz und sehr identisch mit meiner mit nun 2 Kindern.

    Schule ist für uns gerade eine große Herausforderung, nicht wegen der Schule da Montessori, sondern wegen der zunehmenden Gleichaltrigenorientierung unseres nun 8jährigen und der damit verbundenen Bindungsveränderung an uns Eltern. 😉

    1. Hallo Bettina,

      dasjalieb, ja, nach einer freundlichen Idiosakralgelenkdebockierungsaktion meines Hausarztes war es alsbald wieder gut. Jetzt gehe ich regelmäßig zum Tai Chi und es geht schon viiiiel besser. Hab mit Freuden gelesen, dass ihr in UK Fuß gefasst habt!! Ihr Helden!

      HUG!
      nica

  2. Hallo Nicola,
    ich freu mich deine Seite gefunden zu haben. Sehr viele inspirierende Posts 🙂

    Mein Kleiner ist jetzt 3 Monate alt. Während meiner Schwangerschaft (und danach auc nochmal) hab ich das Buch „In Liebe wachsen“ gelesen. Für mich war es das beste Buch seit langem. Was du oben beschreibst liest sich wie die praktische Umsetzung des Buches und macht mir Mut, dass es wirklich „funktioniert“ oder besser gesagt gut umsetzbar ist. Kennst du das Buch?

    Viele liebe Grüße
    Karin

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