Beobachten Sie mal eine Frau, die einen Latte macchiato bestellt. Wenn sie in einem normalen Café ist, wird sie sagen: Einen Latte, bitte. Dann wird sie, mehr oder weniger begeistert, trinken, was sie bekommt.
Hat sie aber die Wahl, dann wird sie einen mittelgroßen Latte macchiato, mit Halbfettmilch, zwei Schuß entkoffeinierten Espresso, etwas Zimtsirup, fettarme, geschlagene Sahne und Kakaopulver bestellen. Eine große Kaffee-Kette aus den USA macht mit diesem Bedürfnis nach dem perfekten Getränk Millionenumsätze.
Und mir geht dabei gerade durch den Kopf: Das Bedürfnis nach einer perfekten Geburt ist kein Stück weniger legitim. Aber wer einfach an den nächstliegenden Geburtsort geht und dort sein Kind zu Welt bringt, wird es so zur Welt bringen, wie die dort ansässigen Ärzte oder Hebammen es für richtig halten. Wenn die Mutter Glück hat, deckt sich das mit ihren Vorstellungen. Viel wahrscheinlicher ist es aber, dass sie hinterher sagt: Mensch, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich lieber Vanillesirup gehabt. Beziehungsweise: Ich wußte gar nicht, dass die Neugeborenen routinemäßig Antibiotika in die Augen träufeln! Wieso hat mich keiner nach meiner Zustimmung gefragt? oder Den APGAR-Test kann man auch auf dem Bauch der Mutter machen? Das wäre ja viel schöner gewesen!
Wenn Sie bei Starbucks den falschen Kaffee kriegen, können Sie ihn zurückgeben. Bei einer Geburt ist das etwas anderes daher lohnt es sich, vorher dafür zu sorgen, dass jede Frau die beste medizinische und emotionale Versorgung bekommt. Und zwar genau so, wie sie persönlich sie braucht.
Netter Vergleich.
Doch sollte man die Menschen immer zu ihrem Glück zwingen?
(Ich versuch zumindest, die Leute in die jeweilige Richtung zu schubsen;-))
Es gibt doch in unserer Zeit unzählige Möglichkeiten, sich zu informieren, welche „Angebote“ es gibt.
Und wer dies nicht für sich war nimmt, muß halt nehmen was kommt.
LG Michi.
Doch woher die Fragen nehmen, wenn ich sie selbst noch nicht kenne? Krankenhäuser zeigen in den Kreißsaalführungen pastellfarbene Zimmer und Gebärwanne, Petziball und Sprossenwand und Seile. Äußerlich scheint doch alles in Butter.
Ich finde, es bedarf wirklich mehr Aufklärung, mehr Transparenz der Angebote für Schwangere und Gebärende. Welcher Gynäkologe, welche Gynäkologin klärt schon darüber auf, dass eine Schwangere ihre Vorsorgeuntersuchungen bei einer Hebamme machen lassen kann und dass Hebammenhilfe sogar zusätzlich zu den Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen werden darf (bezahlt von der Krankenkasse).
Und dann kommen noch diese fiesen Feinheiten, von denen nie jemand spricht. Zum Beispiel wird viel übern Dammschnitt und über Schmerzmittel gesprochen und es steht außer Frage, dass eine Frau für sich einen Dammschnitt und Schmerzmittel von vornherein ablehnen darf. Wenn sich eine Frau dann aber in die Hände einer Hebamme begibt, dann will sie von dieser selbstverständlich auch Hilfe beim Gebären. Und sie will unter den Wehen nicht jede Handlung der Hebamme in Frage stellen. Es hängt vieles an der Arbeit der Hebamme. Kann sie der Gebärenden unter der Geburt Wege vermitteln, Schmerzen zu verringern o.ä. und wie schützt sie den Damm der Frau? Dammschutz hat nicht allein mit den direkten Handgriffen am Damm zu tun, sondern auch damit, wie eine Hebamme der Frau in der Austreibungsphase beisteht – forciert sie, das Kind mit wenigen Presswehen auf die Welt zu bringen oder lässt sie dem Austritt des Köpfchens und nachher der Schultern Zeit? Über einige Dinge, die unter der Geburt laufen, kann sich eine Frau nicht in jedem Fall vor der Geburt informieren. Als benachteiligt sehe ich Frauen, die zum ersten Mal ein Kind erwarten und im Verwandten- und Freundeskreis nicht auf reflektierte Erfahrungen mit Geburt zurückgreifen können. Vielen wird es auch so gehen, dass sie zwar wissen, was sie nicht wollen, aber nicht wissen, wie sie sich ihre Wünsche erfüllen können. Weil zum Beispiel nicht klar ist, welche bedeutende Rolle eine gute Hebammenbetreuung während der Schwangerschaft spielen kann im Gegensatz zu der gynäkologischen Betreuung. Die Qualität der Betreuung kann auch oft nicht ermessen werden. Es fehlt der Vergleich mit Besserem oder die Überzeugung „Ich kann noch mehr erwarten, das reicht mir nicht.“ Internetforen zum Thema Geburt helfen wahrscheinlich vielen Frauen, die Arbeitsweisen von Hebammen zu vergleichen, zu sehen, was möglich ist und wie frau an diese Möglichkeiten überhaupt kommt. Mir fehlte vor elf Jahren so ein Internet, weshalb ich auf die Informationen vor Ort angewiesen war. Aber auch die Möglichkeiten an meinem Wohnort waren nicht gerade breitgefächert und so war ich auch auf bestimmte Menschen angewiesen – ich msste in gewisser Weise nehmen, was kommt, und konnte Schaden nur in Grenzen halten – hier hatte mir meine Informiertheit (sechs miterlebte Geburten in einem Krankenhaus) geholfen – doch nicht jede hat mal im Kreißsaal gearbeit vor ihrer ersten Geburt. Daher meine Anfangsfrage: woher die Fragen nehmen.
Hallo Sumpffuß,
danke für deinen ausführlichen Kommentar! Ja, woher die Fragen nehmen?
Hey – aus meinem Buch! Es soll im ersten Kapitel genau darum gehen: Welche Fragen, stelle ich meinen Geburtshelfern (wer immer diese sind), welche Entscheidungen werden auf mich zukommen?
Ich gehe absolut konform mit Dir, dass eine Frau unter Wehen nicht die Entscheidungen der Hebamme in Frage stellen kann. Genau deshalb ist m.E. es eine kluge Strategie, VORHER alles zu klären, sich vorher möglichst detailliert zu überlegen und zu kommunizieren, was man wann und wie will:
Wie will ich gebären (im Wasser? zu Hause? im Geburtshaus? Im Krankenhaus? Mit wem? Bringe ich meine Hebamme/meine Doula/meinen Mann/meine beste Freundin mit?), wann darf wer mein Kind abnabeln (bitte sofort oder ein bisschen warten oder soll erst die Plazenta geboren werden?), wann darf wer wo den APGAR-Test machen (auf meinem Bauch? im Nebenraum? die Hebamme? der Arzt? Soll mein Kind erst trinken?) Welche Hilfestellungen wie PDA, Wehentropf, Saugglocke, Badewanne will ich unter welchen Umständen – und bin ich darüber informiert, was das für die Geburt bedeutet (Wehentropf kann zu harten, kurzen Wehen führen, was häufig ohne PDA nicht auszuhalten ist, was wiederum die Frau in die Liegehaltung zwingt und das Baby träge werden lässt, was wiederum zum Kaiserschnitt führen kann – das sollte man einfach wissen)? Wieviel Zeit werden mir meine Geburtshelfer geben, damit ich in meinem Tempo gebären kann und wie stellen sie das sicher (Will der Arzt um 18 Uhr zum Abendessen? Hat die Hebamme heute schon zwei anstrengende Geburten hinter sich und was passiert in diesem Fall? Auch Ärzte/Hebammen sind Menschen).
Natürlich kann man nicht alle Eventualitäten vorhersehen, aber man hat ja auch schon alle Hände voll zu tun, nur die „üblichen“ Entscheidungen einer Geburt vorher auszuloten. Und darüber sind die meisten Frauen wie Du ja anmerkst gar nicht richtig informiert. Sie denken, sie kriegen ihr Kind, vielleicht ne kleine PDA und dann ist es das. Dass es Vitamin-K-Gaben und Antibiotika-Tropfen gibt, welche PDA-Nebenwirkungen man hat, welche verschiedene Abnabelungsstrategien es gibt, dass nicht jeder Arzt ein blaues Baby beatmet, sondern ein anderer es vielleicht einfach massiert, das sind so Dinge, die weiß kaum jemand. Und Du hast völlig recht: Wieso sagt einem das vor der Geburt (fast) keiner?
Ich weiß es nicht. Ich hatte mein Wissen von Julia Dibbern, aus ihrem Buch „Geborgene Babies“, dort schafft sie das schier Unmögliche: Eine für sie eigentlich eher traumatische Krankenhausgeburt gleichermaßen detailliert und humorvoll aufzuschreiben.
In meinem Buch will ich dieses Thema so aufbereiten, dass jede Frau weiß, was ggf. auf sie zukommt und entscheiden kann, was sie will und was nicht. Dann wird sie meiner Meinung nach auch auf Unvorhergesehenes viel gelassener und informierter reagieren können, als wenn sie von Anfang mit Fragen konfrontiert wird, von denen sie noch nie etwas wußte.
Wie klingt das in deinen Ohren?
Lieber Gruß,
Nicola
Oh ja, so ein Buch, das auch die Perspektive derer beachtet, die ganz unbedarft an das Thema herangehen und für die Leboyer und sanfte Geburt schöne Träume sind, die frau kaum wagt, sich zu erfüllen, weil frau ja auch gar nicht weiß, wie. So ein Buch, so ein ganz praktisches hätte ich mir beim ersten Kind gern durchgelesen, so als Handlungsanleitung/-hilfe. Und dann finde ich, dürfen all die Frauen nicht vergessen werden, die auf das einzige Krankenhaus im Umkreis angewiesen sind, Frauen, die nicht ohne ärztliche Hilfe gebären können … Denen soll es doch in Zukunft besser gehen. Längst sind noch nicht alle Geburtsabteilungen und Kinderklinken menschenfreundlich. So ein Buch kann bestimmt dazu beitragen, dass sich da was bewegt.
Ich möchte eure Erwartungen und Vorfreude ja nicht trüben.
Aber wenn Bücher was bringen sollten, warum haben es Bücher wie „Die Suche nach dem verlorenen Glück“ von Liedhoff oder „Geburt und Stillen“ von M. Odent nicht in dem Maße geschafft, wie man es hätte vermuten können? Gerade wenn man sich vor Augen führt, wann diese Bücher schon geschrieben wurden und welche Bahnbrechenden Thesen sie aufwarfen.
Wie schafft man es, dass das Buch aus der unüberschaubaren Anzahl der
(selbsternannten) Ratgeber, als „das Buch“ heraussticht, welches endlich ein mal die Geburt so beschreibt, wie sie wirklich sein sollte?
Wenn man sich in den (auch renommierten) Buchhandlungen so umschaut, was in den Regalen bereit steht und was nicht, kommt man schon ins grübeln. „Geborgene Babys“ von J. Dibbern mußte ich auch erst bestellen.
Ich hoffe ich habe jetzt niemanden den Mut genommen und freu mich natürlich selber mit auf das Buch. Für Mundpropaganda bin ich sowieso jederzeit zu haben 😉
(Vielleicht kann man ja vorab Korrektur lesen ;-))
LG Michi aus DD.
Hallo Michi,
das ist ein spannender Gedanke, der mir natürlich auch jeden Tag ca. 20 Mal durch den Kopf geht. Ich seh das so: Erstens hat es J. Liedloff doch schon ganz schön in die Charts geschafft, ich kenne kaum jemanden, der das Buch nicht kennt. Und wenn man es mal positiv dreht: Fast jede Frau, die ich im Bereich Attachment-Parenting kenne, hat JL gelesen bzw. ist erst durch die Trage-These auf das ganze Thema gekommen.
Der Ansatz meines Buches ist daher: Es soll das ganze Thema so aufbereiten, dass es kurz, knapp, sachlich und sexy verpackt ist – also mainstreamfähig. Mein absoluter Favorit zum Thema ‚geniale Vermarktung‘ ist „Das Baby. Eine Gebrauchsanleitung“ vom Sanssouci-Verlag. Man kann von dem Buch denken was man will, aber ich kenne fast niemanden, der es nicht kennt (und liebt oder hasst, je nachdem).
Wir werden es sehen. „HOPE is a Verb“ steht hier um die Ecke an einer Mauer. Also ran an die Arbeit.
Gruß zur Nacht,
🙂
nica
„… ich kenne kaum jemanden, der das Buch nicht kennt…“
Bei mir ist es total umgekehrt. Ich kenne keinen, der dieses Buch kennt. 🙁 Bin gerade dabei meinem Mann es unterzujubeln, dann soll’s auf den Nachtisch meiner Mutter landen usw. …
Zitat: „… ich kenne kaum jemanden, der das Buch nicht kennt…“
Hat wohl was mit „selektiver Wahrnehmung“ zu tun.
Wenn ich mich „nur“ unter Gleichgesinnten bewege, läuft man (unterbewußt) in die Gefahr in die Annahme zu verfallen, dies dann auf „alle“ zu beziehen.
Meine Frau hats auch nicht lesen wollen.
Ich hab meiner Schiegermutter „Geborgene Babys“ mitgegeben, da sie höchstwahrscheinlich erste Ansprechpartnerin wird bezgl. Babyaufpasser. Und man staune, in einigen Dingen geht sie sogar mit.
Nur das ein 11 Monate altes Kind alleine auf einer Leiter stehen dürfen soll, ging ja mal gar nicht.
Bin mal auf die Reaktionen meiner Mutter gespannt, wenn ich ihr das Buch zu lesen „auftrage“ 😉
LG Michi